Haftung der Eltern minderjähriger Kinder, die an Internettauschbörsen teilnehmen
Das Internet ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken, die Kinder wachsen damit wie selbstverständlich auf und sind ihren Eltern häufig sogar voraus.
Dies ist grundsätzlich auch unproblematisch. Was ist jedoch, wenn die minderjährigen Kinder bestimmte Regeln missachten und über das erlaubte Maß hinaus im Internet aktiv sind? Haften die Eltern für illegales Verhalten ihrer minderjährigen Kinder im Internet? Hierüber hat der Bundesgerichtshof nun mit dem wichtigen Urteil vom 15. November 2012 zum Filesharing entschieden (AZ: I ZR 74/12).
Thema Filesharing. Filesharing (englisch für Dateien teilen, sinngemäß Dateifreigabe oder gemeinsamer Dateizugriff) ist das direkte Weitergeben von Dateien zwischen Benutzern des Internets (meist) unter Verwendung eines Filesharing-Netzwerks.
Dabei befinden sich die Dateien normalerweise auf den Computern der einzelnen Teilnehmer oder dedizierten Servern, von wo sie an interessierte Nutzer verteilt werden. Im Regelfall werden Dateien von den einzelnen Nutzern sowohl heruntergeladen als auch gleichzeitig an andere Netzwerkteilnehmer hochgeladen. Für den Zugriff auf Filesharing-Netzwerke sind spezielle Computerprogramme, Browser oder Browser-Add-ons erforderlich.
Sachverhalt. Am 28. Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von diversen Tonträgerherstellern beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Nach der im Ermittlungsverfahren eingeholten Auskunft des Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem Internetanschluss der Eltern eines minderjährigen Kindes zugewiesen. Sie hatten den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie zu seinem 12. Geburtstag einen gebrauchten PC überlassen hatten.
Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Eltern wurde am 22. August 2007 der PC des Sohnes beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme „Morpheus“ und „Bearshare“ installiert; das Symbol des Programms „Bearshare“ war auf dem Desktop des PC zu sehen.
Abmahnung und Schadensersatzanspruch. Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ließen die Tonträgerhersteller die Eltern durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Eltern gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.
Die Tonträgerhersteller sind jedoch der Ansicht, die Eltern seien wegen einer Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke entstanden sei. Sie nahmen die Eltern wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 Euro je Titel, insgesamt also 3.000 Euro nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 Euro in Anspruch.
Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Das Landgericht Köln hat der Klage der Tonträgerhersteller stattgegeben. Die Berufung der Eltern vor dem Oberlandesgericht Köln ist ohne Erfolg geblieben. Die Eltern waren damit in den ersten beiden Instanzen unterlegen.
Das Oberlandesgericht Köln hat dabei angenommen, die Eltern hafteten für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Sie hätten die Einhaltung der von ihnen aufgestellten Verhaltensregeln für die Internetnutzung nicht – wie von ihnen behauptet – kontrolliert.
Hätten die Eltern auf dem Computer ihres Sohnes tatsächlich eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert, das bezüglich der Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ gestellt gewesen wäre, hätte ihr Sohn die Filesharing-Software nicht installieren können. Hätten die Eltern den PC ihres Sohnes monatlich überprüft, hätten sie die von ihrem Sohn installierten Programme bei einem Blick in die Softwareliste oder auf den Desktop des Computers entdecken müssen.
Aufhebung durch den Bundesgerichtshof. Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren.
Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern – so der BGH – erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.