18. Dezember 2012

Mindest­löhne

Ein Mindest­lohn ist ein in der Höhe fest­ge­legtes, kleinstes recht­lich zuläs­siges Arbeits­ent­gelt. Die Fest­set­zung erfolgt durch eine gesetz­liche Rege­lung, durch eine Fest­schrei­bung in einem allge­mein­ver­bind­li­chen Tarif­ver­trag oder implizit durch das Verbot von Lohn­wu­cher. Eine Mindest­lohn­re­ge­lung kann sich auf den Stun­den­satz oder den Monats­lohn bei Voll­zeit­be­schäf­ti­gung beziehen.

Durch Tarif­ver­träge können bran­chen­spe­zi­fi­sche Mindest­löhne fest­legt werden, wenn von den Tarif­ver­trags­par­teien ausge­han­delte Lohn­ta­rif­ver­träge durch einen staat­li­chen Recht­set­zungsakt, die sog. Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung, als allge­mein­ver­bind­lich erklärt werden, d. h., die tarif­ver­trag­lich nicht gebun­denen Arbeit­geber und Arbeit­nehmer dieser Branche werden dadurch dem Mindest­lohn des Tarif­ver­trags unter­worfen. Für bestimmte Bran­chen ergibt sich die Rechts­ver­bind­lich­keit auch aus § 3 Arbeit­nehmer-Entsen­de­ge­setz (AEntG) in Verbin­dung mit der Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung des Tarif­ver­trags oder – alter­nativ – in Verbin­dung mit einer nach dem AEntG erlas­senen Rechts­ver­ord­nung. Das Arbeit­nehmer-Entsen­de­ge­setz und das Mindest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz stellen die recht­li­chen Weichen für die Entwick­lung von Mindest­löhnen. Nach­fol­gender Artikel setzt sich mit diesen Weichen­stel­lungen ausein­ander.

Rechts­rahmen durch AEntG für Mindest­löhne. Das AEntG bietet einen Rechts­rahmen, um bran­chen­be­zo­gene Mindest­löhne für alle Arbeit­nehmer und Arbeit­neh­me­rinnen einer Branche verbind­lich zu machen, unab­hängig davon, ob der Arbeit­geber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Nach dem Arbeit­nehmer-Entsen­de­ge­setz (AEntG) sind derzeit in den folgenden Bran­chen Mindest­lohn-Tarif­ver­träge anzu­wenden:

  • Abfall­wirt­schaft einschließ­lich Stra­ßen­rei­ni­gung und Winter­dienst
  • Aus- und Weiter­bil­dungs­dienst­leis­tungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozi­al­ge­setz­buch
  • Bau(haupt)gewerbe
  • Berg­bau­spe­zi­al­ar­beiten auf Stein­koh­le­berg­werken
  • Dach­de­cker­hand­werk
  • Elek­tro­hand­werk
  • Gebäu­de­rei­ni­gungs­leis­tungen
  • Maler- und Lackie­rer­hand­werk
  • Sicher­heits­dienst­leis­tungen
  • Wäsche­rei­dienst­leis­tungen im Objekt­kun­den­ge­schäft

Daneben gibt eine Rechts­ver­ord­nung nach § 11 AEntG ein Mindest­ent­gelt für die Pfle­ge­branche vor. Eine Rechts­ver­ord­nung nach § 3a AÜG bestimmt für die Zeit­ar­beits­branche ein Mindest­stun­den­ent­gelt als Lohn­un­ter­grenze für die Zeit der Über­las­sung und für Zeiten ohne Über­las­sung.

Mindest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz.Das Mindest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz ermög­licht die Fest­set­zung von Mindest­ar­beits­ent­gelten für die Wirt­schafts­zweige, in denen die tarif­ge­bun­denen Arbeit­geber bundes­weit weniger als 50 % der unter den Geltungs­be­reich aller Tarif­ver­träge fallenden Arbeit­nehmer und Arbeit­neh­me­rinnen beschäf­tigen. Ein dauer­haft einzu­rich­tender Haupt­aus­schuss prüft, ob in einem Wirt­schafts­zweig soziale Verwer­fungen vorliegen und entscheidet, ob in diesem Wirt­schafts­zweig Mindest­ar­beits­ent­gelte fest­ge­setzt, geän­dert oder aufge­hoben werden. Ein Fach­aus­schuss, der sich aus Vertre­tern des Wirt­schafts­zweigs zusam­men­setzt, kann dann die konkrete Höhe des jewei­ligen Mindest­lohns anhand vorge­ge­bener Krite­rien durch Beschluss fest­legen. Auf Vorschlag des Bundes­mi­nis­te­riums für Arbeit und Soziales kann die Bundes­re­gie­rung die vom Fach­aus­schuss beschlos­senen Mindest­ar­beits­ent­gelte als Rechts­ver­ord­nung erlassen.

Die Mindest­ar­beits­ent­gelte sind für alle in- und auslän­di­schen Arbeit­nehmer und Arbeit­neh­me­rinnen zwin­gend und unab­dingbar. Aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes geht ein zu einem Stichtag bestehender Tarif­ver­trag für die Zeit seines Bestehens den fest­ge­setzten Mindest­ar­beits­ent­gelten vor. Ein Folge­ta­rif­ver­trag, mit dem die Tarif­ver­trags­par­teien ihren am Stichtag bestehenden Tarif­ver­trag ablösen bzw. ersetzen, genießt eben­falls Vorrang.

Grund­sätze bei der Mindest­lohn­er­mitt­lung. Bei dem Mindest­lohn handelt es sich um einen Brut­to­lohn. Vom Arbeit­geber gezahlte Zulagen oder Zuschläge werden dabei als Bestand­teile des Mindest­lohns berück­sich­tigt, wenn ihre Zahlung nicht von einer Arbeits­leis­tung des Arbeit­neh­mers abhängt, die von der im Tarif­ver­trag vorge­se­henen Normal­leis­tung abweicht.

Als Beispiel dienen der Bauzu­schlag und Zulagen, die im Arbeits­ver­trag als Diffe­renz zwischen dem heimi­schen Lohn und dem geschul­deten Mindest­lohn ausge­wiesen sind. Über­stun­den­zu­schläge werden nur dann berück­sich­tigt, wenn der Arbeit­geber aufgrund eines Tarif­ver­trags im Sinne von § 3 AEntG oder in der Pfle­ge­branche aufgrund einer Rechts­ver­ord­nung nach § 11 AEntG zur Zahlung von Über­stun­den­zu­schlägen verpflichtet ist. In diesem Fall reicht es aus, wenn der tatsäch­lich gezahlte Lohn einschließ­lich der Über­stun­den­zu­schläge mindes­tens die Summe aus dem tarif­lich vorge­schrie­benen Mindest­lohn und dem tarif­lich vorge­schrie­benen Über­stun­den­zu­schlag ergibt.

Nicht berück­sich­tigt werden hingegen Zuschläge und Zulagen, deren Zahlung z. B. mehr Arbeit pro Zeit­ein­heit (Akkord­prä­mien), über­durch­schnitt­liche quali­ta­tive Arbeits­er­geb­nisse (Quali­täts­prä­mien), Arbeit zu beson­deren Zeiten (z. B. Über­stunden, Sonn- oder Feier­tags­ar­beit), Arbeit unter erschwerten oder gefähr­li­chen Bedin­gungen (z. B. Schmutz­zu­lagen, Gefah­ren­zu­lagen) voraus­setzt. Entsen­de­zu­lagen werden gleich­falls nicht berück­sich­tigt, soweit sie der Erstat­tung beim Arbeit­nehmer tatsäch­lich ange­fal­lener Entsen­dungs­kosten (z. B. Unter­kunft, Verpfle­gung, Reise­kosten) dienen. Leis­tungen wie Weih­nachts­geld oder ein zusätz­li­ches Urlaubs­geld werden als Bestand­teil des Mindest­lohns gewertet, wenn der Arbeit­nehmer den auf die Entsen­de­zeit entfal­lenden antei­ligen Betrag jeweils zu dem für den Mindest­lohn maßgeb­li­chen Fällig­keits­datum tatsäch­lich und unwi­der­ruf­lich ausbe­zahlt erhält. Bei der Berech­nung des Mindest­lohns bleiben Arbeit­ge­ber­an­teile zur Sozi­al­ver­si­che­rung außer Betracht.

Fällig­keit. Die Fällig­keit des Anspruchs auf den Mindest­lohn ist dem jewei­ligen Mindest­lohn-Tarif­ver­trag oder den Rechts­ver­ord­nungen nach § 11 AEntG bzw. § 3a AÜG zu entnehmen. Wenn in einem Betrieb eine Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung einge­führt wurde, sind beson­dere Rege­lungen zu beachten.

Beispiel der Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung im Bereich Gebäu­de­rei­ni­gung.Grund­sätz­lich ist der Anspruch auf den Mindest­lohn spätes­tens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den der Mindest­lohn zu zahlen ist. Ausnahmen sind ausschließ­lich für gering­fügig Beschäf­tigte in der Lohn­gruppe 1 und Arbeit­nehmer in den Lohn­gruppen 6 und 7 zulässig.

Ausnahmen für gering­fügig Beschäf­tigte in der Lohn­gruppe 1 im Bereich Gebäu­de­rei­ni­gung.Von der Fällig­keits­re­ge­lung sieht § 3 des Tarif­ver­trags zur Rege­lung der Mindest­löhne für gewerb­liche Arbeit­nehmer in der Gebäu­de­rei­ni­gung (Anhang zur Zweiten Verord­nung über zwin­gende Arbeits­be­din­gungen in der Gebäu­de­rei­ni­gung) eine Ausnahme vor: Danach kann gering­fügig Beschäf­tigten der Lohn­gruppe 1 mit einer gleich­blei­benden wöchent­li­chen Arbeits­zeit unab­hängig von der jewei­ligen monat­li­chen Arbeits­zeit ein gleich­blei­bender – „verste­tigter“ – Monats­lohn gezahlt werden, der sich nach folgender Formel berechnet: Stun­den­lohn x Wochen­ar­beits­zeit : 5 x 261 : 12.

Ausnahmen für Arbeit­nehmer in den Lohn­gruppen 6 und 7 im Bereich Gebäu­de­rei­ni­gung.Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung ist unter folgenden Voraus­set­zungen zulässig:

  • Durch Betriebs­ver­ein­ba­rung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzel­ver­trag­liche Verein­ba­rung kann für die gewerb­li­chen Arbeit­nehmer, die in den Lohn­gruppen 6 bis 9 eingrup­piert sind, verein­bart werden, dass für einen Zeit­raum von zwölf zusam­men­hän­genden Monaten (Ausgleichs­zeit­raum) Mehr­ar­beit oder ausfal­lende Arbeits­zeit durch Verkür­zung oder Verlän­ge­rung der fest­ge­legten Arbeits­zeit an anderen Werk­tagen ohne Mehr­ar­beits­zu­schlag ausge­gli­chen wird. In der Verein­ba­rung ist zu bestimmen, in welcher Form und mit welcher Ankün­di­gungs­frist die jewei­lige werk­täg­liche Arbeits­zeit fest­ge­legt wird.
  • Der Arbeit­geber kann inner­halb von zwölf Kalen­der­mo­naten 150 Arbeits­stunden vorar­beiten und 30 Arbeits­stunden nach­ar­beiten lassen (Jahres­ar­beits­zeit­konto). Mehr­ar­beits­zu­schlags­frei im Sinne der Ziffer 1 bleiben die ersten 150 Stunden inner­halb des Ausgleichs­zeit­raums.
  • Dem Arbeit­nehmer ist bei Anwen­dung des Jahres­ar­beits­zeit­kontos unab­hängig von der tatsäch­li­chen monat­li­chen Arbeits­zeit ein gleich­blei­bender Monats­lohn zu zahlen. Dieser berechnet sich nach der Formel: Stun­den­lohn x Jahres­ar­beits­zeit : 12. Der Monats­lohn mindert sich um den Lohn für die Arbeits­stunden, die infolge von Kurz­ar­beit, Zeiten ohne Entgelt­fort­zah­lung sowie Zeiten unbe­zahlter Frei­stel­lung ausfallen.
  • Für jeden Arbeit­nehmer wird ein indi­vi­du­elles Ausgleichs­konto einge­richtet. Auf diesem Ausgleichs­konto ist die Diffe­renz zwischen dem Lohn für die tatsäch­lich geleis­teten Arbeits­stunden und dem nach Ziffer 3 errech­neten Monats­lohn für jeden Arbeit­nehmer gutzu­schreiben bzw. zu belasten.
  • Das Arbeits­zeit­gut­haben und der dafür einbe­hal­tene Lohn dürfen zu keinem Zeit­punkt 150 Stunden, die Arbeits­zeit­schuld und der dafür bereits gezahlte Lohn dürfen zu keinem Zeit­punkt 30 Stunden über­schreiten. Wird ein Guthaben für 150 Stunden erreicht, so ist der Lohn für die darüber hinaus­ge­henden Stunden neben dem Monats­lohn auszu­zahlen.
  • Auf dem Ausgleichs­konto gutge­schrie­bener Lohn darf nur zum Ausgleich für den Monats­lohn, am Ende eines Ausgleichs­zeit­raums nach Maßgabe des folgenden Absatzes, bei Ausscheiden des Arbeit­neh­mers oder im Todes­fall ausge­zahlt werden.
  • Das Ausgleichs­konto soll nach zwölf Kalen­der­mo­naten ausge­gli­chen sein. Besteht am Ende des Ausgleichs­zeit­raums noch ein Guthaben, so sind die dem Guthaben zugrunde liegenden Vorar­beits­stunden und das dafür gutge­schrie­bene Arbeits­ent­gelt unter Anrech­nung auf das zuschlags­freie Vorar­beits­vo­lumen des neuen Ausgleichs­zeit­raums in diesen zu über­tragen. Abwei­chend vom vorhe­rigen Satz kann auch eine Abgel­tung des Gutha­bens am Ende des Ausgleichs­zeit­raums durch Betriebs­ver­ein­ba­rung oder, sofern kein Betriebsrat besteht, einzel­ver­trag­lich verein­bart werden.
  • Besteht am Ende des Ausgleichs­zeit­raums eine Zeit­schuld, so ist diese in den nächsten Ausgleichs­zeit­raum zu über­tragen und in diesem auszu­glei­chen. Bei Ausscheiden des Arbeit­neh­mers sind etwaige Guthaben oder Schulden auszu­glei­chen.
  • Durch den Arbeit­geber ist auf seine Kosten durch geeig­nete Mittel sicher­zu­stellen, dass das Guthaben jeder­zeit bestim­mungs­gemäß ausge­zahlt werden kann und die steu­er­li­chen und sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Pflichten erfüllt werden können. Bilan­zi­elle Rück­stel­lungen sowie zwischen Konzern­un­ter­nehmen (§ 18 Akti­en­ge­setz) begrün­dete Einstands­pflichten, wie z. B. Bürg­schaften, Patro­nats­er­klä­rungen oder Schuld­bei­tritte, stellen keine geeig­neten Siche­rungs­mittel dar. Auf Verlangen einer der Tarif­ver­trags­par­teien ist dieser gegen­über die Absi­che­rung des Ausgleichs­kontos nach­zu­weisen. Erfolgt dieser Nach­weis nicht, so ist das Guthaben an den Arbeit­nehmer auszu­zahlen; die Verein­ba­rung über die Arbeits­zeit­ver­tei­lung im Ausgleichs­zeit­raum tritt zu diesem Zeit­punkt außer Kraft.

Im Ausland ansäs­sige Arbeit­geber.Im Ausland ansäs­sige Arbeit­geber können von einer Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung unter den glei­chen Bedin­gungen Gebrauch machen wie inlän­di­sche Arbeit­geber.

Zusätz­liche Unter­lagen bei Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung. Soweit eine Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung erfolgt ist, müssen zusätz­lich zu den übli­chen Prüf­un­ter­lagen folgende Unter­lagen in Deutsch­land bereit­ge­halten werden:

  • Schrift­liche Verein­ba­rung über Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung,
  • Ausgleichs­konto (für jeden Arbeit­nehmer), gege­be­nen­falls getrennte Stun­den­auf­zeich­nungen neue Bundesländer/alte Bundes­länder,
  • Nach­weis über Absi­che­rung des Ausgleichs­kontos (z. B. Bank­bürg­schaft, Sperr­konto), soweit nach Tarif­ver­trag oder Rechts­ver­ord­nung erfor­der­lich.

Die übli­chen Prüf­un­ter­lagen werden in dem Artikel „Zur Aufzeich­nungs­pflicht von Arbeits­zeiten“ darge­stellt. Werden darüber hinaus ggf. weitere Unter­lagen benö­tigt, sind diese eben­falls der Prüf­be­hörde zur Einsicht zur Verfü­gung zu stellen. Werden vom Arbeit­geber keine Nach­weise für die Arbeits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung erbracht, verbleibt es bei der im Tarif­ver­trag oder in der Rechts­ver­ord­nung fest­ge­setzten Fällig­keit des Mindest­lohns.