17. Dezember 2012

Künstler-Enga­ge­ment: alle Regeln beherr­schen

Für auslän­di­sche Akro­baten beim Betriebs­fest muss der Unter­nehmer Steuern abführen, für Texter oder Grafiker, die Werbung gestalten, Beiträge zur Künst­ler­so­zi­al­kasse. Wer diese Vorschriften igno­riert, riskiert teure Konse­quenzen.

Autor: Sigrun an der HeidenZunächst sorgte die Anfrage der Renten­ver­si­che­rung bei Heide­marie Belaschk für Ratlo­sig­keit. Die Unter­neh­merin, die zusammen mit Mann und Sohn die Firma Rabe Spree­wälder Konserven GmbH & Co. KG in Lübbenau bei Cottbus leitet, sollte darlegen, ob ihr Betrieb künst­le­ri­sche Leis­tungen in Auftrag gegeben habe. „Künstler beschäf­tigen wir nicht“, war ihre erste Reak­tion, denn das Fami­li­en­un­ter­nehmen stellt seit vier Gene­ra­tionen Sauer­kon­serven sowie Fein­kost­pro­dukte her. „Ich musste mich erst beim Steu­er­büro erkun­digen, was diese Künst­ler­so­zi­al­ab­gabe über­haupt ist“, erklärt Belaschk.

Auch Werber sind Künstler. Inzwi­schen kennt die Unter­neh­merin sich aus, denn die Prüfung durch die Renten­ver­si­che­rung kam den Gurken­pro­du­zenten teuer zu stehen. 1.000 Euro musste die Firma an die in Wilhelms­haven ansäs­sige Künst­ler­so­zi­al­kasse (KSK) zahlen, weil ein Grafiker damit beauf­tragt worden war, für die Verpa­ckungen ein neues Etiket­ten­de­sign zu entwerfen. Seit diesem Vorfall wird in der Buch­hal­tung jede Rech­nung für künst­le­ri­sche Leis­tungen gemäß Defi­ni­tion der KSK notiert, das gesamte dafür gezahlte Honorar einmal jähr­lich nach Wilhelms­haven gemeldet und die fällige Abgabe über­wiesen. Derzeit sind das 3,9 Prozent des Auftrags­werts.

Dass Unwis­sen­heit nicht vor Strafe schützt, haben wie Heide­marie Belaschk bereits viele Unter­nehmer erfahren. Darum steigt die Zahl der KSK-Zahler konti­nu­ier­lich. Seit die Deut­sche Renten­ver­si­che­rung 2007 für die KSK die Über­prü­fung über­nommen hat, ob Betriebe für frei­schaf­fende Künstler die Abgabe über­weisen, hat sich die Zahl der Meldungen von 63.000 auf 145.000 gut verdop­pelt.

Kein Firmen­chef sollte das Thema auf die leichte Schulter nehmen. Am besten bespricht er es ausführ­lich mit einem Steuer­berater. Geht es um die Beschäf­ti­gung von Künst­lern, liegt der Teufel bei Steuern und Abgaben nämlich ganz beson­ders im Detail – egal, ob es sich um die KSK handelt, um Gebühren für Musik­nut­zung an die Gesell­schaft für musi­ka­li­sche Auffüh­rungs- und mecha­ni­sche Verviel­fäl­ti­gungs­rechte (Gema) oder um Steu­er­zah­lungen von Künst­lern aus dem Ausland, für die der Auftrag­geber haftet, der eine Veran­stal­tung in Deutsch­land orga­ni­siert hat. Wer beispiels­weise den KSK-Frage­bogen der Renten­ver­si­che­rung nicht ausfüllt, muss mit einer Betriebs­prü­fung sowie empfind­li­chen Nach­zah­lungen rechnen. „Die 3.600 Prüfer dürfen die Künst­ler­so­zi­al­ab­gabe rück­wir­kend für die letzten fünf Jahre erheben und schätzen, wenn ein Unter­nehmen keine Angaben macht“, warnt der Kieler KSK-Experte und Fach­buch­autor Andri Jürgensen.

Die KSK greift hart durch. Zur Kasse gebeten werden nicht nur klas­si­sche Auftrag­geber der Künstler und Publi­zisten wie Theater, Verlage oder Gale­rien. Jeder Betrieb, der Krea­tive enga­giert und ihre Werke für Unter­neh­mens­zwecke nutzt, muss ab dem vierten Auftrag pro Jahr die Abgabe zahlen. Noch härter trifft es Unter­nehmen, die regel­mäßig Werbung oder Öffent­lich­keits­ar­beit betreiben und damit Texter, Grafiker, Desi­gner oder Foto­grafen betrauen. Was nun regel­mäßig oder – wie das Gesetz sagt – „nicht nur gele­gent­lich“ bedeutet, darüber lässt sich streiten, denn es fehlt eine klare Rege­lung. „Die KSK legt das sehr eng aus“, weiß Joachim Berndt, Professor für Wirt­schafts-, Arbeits- und Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht an der Jade Hoch­schule Wilhelms­haven. „Ein Auftrag pro Jahr reicht ihr unter Umständen, um die Abgabe zu kassieren.“

Unab­hängig von enger Ausle­gung und rigider Prüf­praxis ist Professor Berndt sicher, dass Prozesse gegen die Verfas­sungs­mä­ßig­keit der KSK-Abgabe wenig Chancen haben. Seiner Meinung nach gehen Firmen­chefs, die nicht zahlen, sogar ein stei­gendes Risiko ein: „Nach fünf Jahren Prüf­praxis können sie kaum behaupten, sie wüssten nichts von der Abga­be­pflicht.“

Für die betrof­fenen Betriebe hätte das gravie­rende Folgen, wie der Experte sagt: „Gehen die Prüfer davon aus, dass Beiträge vorsätz­lich vorent­halten wurden, ist die Verjäh­rung ausge­setzt.“ Die Abgabe wird also nicht für fünf, sondern rück­wir­kend für zehn oder mehr Jahre fällig – plus satter Säum­nis­zu­schläge. Bei einem Zins­satz von einem Prozent pro Monat auf die geschul­dete Summe kann der Versuch, sich um die Zahlungen an die KSK herum­zu­drü­cken, also ziem­lich teuer werden.

Vorsicht bei Musik­nut­zung.Ähnli­ches gilt beim Thema Gema. Inzwi­schen sollte jeder wissen, dass die Gesell­schaft in Berlin immer kassiert, wenn urhe­ber­recht­lich geschützte Musik­stücke öffent­lich aufge­führt oder für unter­neh­me­ri­sche Zwecke genutzt werden. Das gilt für Betriebs­feier und Tag der offenen Tür genauso wie für den Fall, dass Kunden in der tele­fo­ni­schen Warte­schleife mit Musik bei Laune gehalten oder Inter­net­seiten mit einem Song unter­legt werden – und für gemein­nüt­zige Veran­stal­tungen, was viele nicht wissen. Gema-Vorstands­chef Harald Heker: „Das Gesetz sieht vor, dass auch bei Veran­stal­tungen in Vereins­heimen oder dem berühmten Feuer­wehr­ball für Musik gezahlt werden muss. Hier herrscht noch großes Unwissen.“

Unter­nehmer muss haften.Aber selbst wenn der Unter­nehmer den Tag der offenen Tür oder das Betriebs­fest bei KSK und Gema meldet, droht durch das Enga­ge­ment von Künst­lern ein weiteres finan­zi­elles Risiko. Was kaum bekannt ist: Auch das Finanzamt kann Ärger machen. Lässt der Unter­nehmer einen Künstler auftreten, der Steuern in Deutsch­land zahlt, ist der Ablauf einfach: Der Dienst­leister bekommt ein Honorar und versteuert es selbst. Kompli­ziert wird es für den Firmen­chef, wenn er einen auslän­di­schen Künstler unter Vertrag nimmt. Sorgt beispiels­weise ein Clown aus Luxem­burg für gute Laune, haftet der Auftrag­geber dafür, dass der deut­sche Fiskus die fällige Steuer bekommt. Was häufig weder Unter­nehmer noch Künstler wissen: Die Besteue­rung erfolgt am Auftrittsort. „Das Unter­nehmen oder die Agentur muss für den auslän­di­schen Künstler die Steuer anmelden, einbe­halten und ans Finanzamt abführen“, sagt Experte Andri Jürgensen.

15 Prozent der Brut­to­gage plus Soli­da­ri­täts­zu­schlag will der Fiskus. Reise­kosten zählen nicht zur Bemes­sungs­grund­lage, falls die Erstat­tung nicht über den entstan­denen Ausgaben liegt. Bei hohen Neben­kosten erlaubt das Finanzamt für Künstler aus der EU und dem Euro­päi­schen Wirt­schafts­raum (EWR) auch eine Netto­be­steue­rung. 30 Prozent des Gewinns sind dann abzu­führen. Aufwand, Ärger und Risiko bleiben immer beim Veran­stalter.

Ab 250 Euro fällt Steuer an.Anna Münzer, zuständig für finan­zi­elle und steu­er­liche Belange der Kamp­nagel Inter­na­tio­nale Kultur­fa­brik GmbH in Hamburg, kennt dies aus tägli­cher Erfah­rung. „Schätzen wir einen steu­er­li­chen Sach­ver­halt falsch ein, haften wir fünf Jahre rück­wir­kend für zu wenig gezahlte Steuern aus dem Künst­ler­en­ga­ge­ment“, sagt die Fach­frau und kriti­siert: „Die Geset­zes­lage zwingt Veran­stalter dazu, Steuer­berater für die Künstler zu spielen, und das können sie gar nicht leisten.“ Umso wich­tiger ist es daher, dass Unter­nehmer sich bereits vor dem Enga­ge­ment auslän­di­scher Künstler eng mit ihrem Steuer­berater abstimmen – oder eine Gage von unter 250 Euro pro Person und Show zahlen. Die bleibt nämlich steu­er­frei.