14. Dezember 2010

Korrup­ti­ons­prä­ven­tion

„Das gibt es bei uns nicht! – Wir sind doch nur ein kleines Unter­nehmen.“ Im allge­meinen Bewusst­sein wird Wirtschaftskrimina­lität spontan immer noch Groß­kon­zernen zuge­schrieben und Korrup­tion als ein Problem von Bana­nen­re­pu­bliken bewertet. Die Statis­tiken in Deutsch­land sind jedoch erschre­ckend und zeigen, dass unab­hängig von ihrer Größe knapp die Hälfte aller deut­schen Unter­nehmen Opfer von Wirt­schafts­kri­mi­na­lität sind. In unserem Themen­schwer­punkt geben wir einen Über­blick über die Korrup­ti­ons­si­tua­tion in Deutsch­land und zeigen Wege zur Bekämp­fung von Betrug, Bestech­lich­keit, Untreue und Vorteils­nahme in der tägli­chen Praxis.

Als Trans­pa­rency International1993 gegründet wurde, galt die öffent­liche Behaup­tung, in Deutsch­land sei Kor­ruption (dolose Hand­lungen) an der Tages­ordnung, als Nest­be­schmut­zerei. Deutsch­land schien ein sauberes Land zu sein und sollte es auch bleiben. Seitdem hat sich vieles geän­dert: Fast täglich können wir neue und spek­ta­ku­läre Korrup­ti­ons­skan­dale in den Medien verfolgen und es entsteht der Eindruck, Deutsch­land sei auf das Niveau von Ländern herab­ge­sunken, auf die wir frü­her gerne herab­ge­sehen haben.

Bedeutet dies, dass in den letzten Jahren die Korrup­tion in Deutsch­land in einem sol­chen Maße zuge­nommen hat? Zunächst ein­mal bedeutet es, dass heute mehr darüber gespro­chen wird. Es ist in das allge­meine Bewusst­sein einge­drungen, dass Deutsch­land nicht so unschuldig ist wie vermutet, dass Korrup­tion ein zu bekämp­fendes volks­wirtschaftliches Geschwür ist und dass erst die öffent­liche Diskus­sion den Schaden er­kennbar macht. Wir erfahren heute aus den verschie­denen Medien und Quellen von Vor­gängen, die früher verschwiegen und ver­tuscht wurden. Daher erfahren und verzeich­nen wir über dieses Thema mehr als früher. Aber gibt es auch mehr? Der Verdacht ist ein anderer und er ist schlimmer: Korrup­tion hat es auch hier­zu­lande schon immer gegeben und Deutsch­land war nie das sau­bere Land, als das wir es gerne wahr­haben wollten.

Was ist Korrup­tion? Die Flick-Affäre, der Skandal um die schwarzen Kassen der CDU-Partei­spen­den­af­färe, der Star­fighter-Skandal, die Siemens Schmier­geld-Affäre oder der FlowTex-Betrug, der nach­haltig alle Kredit­su­chenden beein­träch­tigt und heute noch an den Pranger stellt: Diese Skanda­le sind Stich­wörter aus der frühen Vergan­genheit und Gegen­wart der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land und sollten niemals vergessen werden. Sie führen aber ein wenig in die Irre, da sie das Gefühl vermit­teln, Korrup­tion sei ein Problem großer Orga­ni­sa­tionen, multi­nationaler Konzerne oder das Ergebnis be­sonders krimi­neller Energie.

Korrup­tion findet jedoch genauso im Klei­nen statt: Statis­tisch gesehen sind 49 % der deut­schen Unter­nehmen Opfer von Wirt­schaftskriminalität. Die offen­kun­dige Alltäg­lichkeit doloser Hand­lungen in Deutsch­land ist somit nicht nur ein Schaden für die je­weiligen Unter­nehmen, sondern ebenso für die gesamte Volks­wirt­schaft und dieje­nigen Kauf­leute, die ihre Geschäfte ehrlich und redlich betreiben.

Was aber ist die Korrup­tion „im Kleinen“? Ganz einfach: Unter­nehmen A will an Unter­nehmen B etwas verkaufen, z. B. eine Te­lefonanlage, einen Mobil­funk­tarif oder eine Bauleis­tung. Dabei versi­chert sich Unter­nehmen A der beson­deren Aufmerk­sam­keit eines entschei­dungs­be­fugten Mitar­bei­ters in Unter­nehmen B durch mehr oder weniger große Zuwen­dungen. Dies kann schlicht die Zuschie­bung eines Umschlags mit Geld sein, oftmals sind es aber auch sach­be­zo­gene Zuwen­dungen wie der profane Kauf einer Wasch­ma­schine, die Finan­zie­rung eines Ur­laubs oder ohne Rech­nung gelie­ferte Steine für die heimi­sche Garten­ter­rasse. Dadurch befür­wortet der Mitar­beiter des Unterneh­mens B das Angebot des Unter­neh­mens A und drückt womög­lich noch ein Auge bei den Kondi­tionen des Ange­bots zu.

Das geschil­derte Szenario ist nahezu all­täglich und wird von den Tätern nicht mal mit einem Unrechts­be­wusst­sein verknüpft, son­dern gilt als ein unver­zicht­bares Instru­ment im wirt­schaft­li­chen Konkur­renz­kampf.

Höchst inter­es­sant ist dabei das statis­tisch am weitesten verbrei­tete Täter­profil: Der „typi­sche“ Täter ist relativ ange­passt, verfügt über grund­sätz­lich legale Wert­vor­stel­lungen, lebt in legalen und unauf­fäl­ligen Sozi­al­struk­turen und enga­giert sich beruf­lich über das Normale hinaus. Stich­punkt­artig zusam­men­ge­fasst, kenn­zeichnen den typi­sche Täter in Deutsch­land folgende Eigen­schaften:

  • männ­lich
  • deutsch
  • nicht vorbe­straft
  • keine Schulden (zumin­dest keine, die bekannt sind)
  • verfügt über gewisse Macht- und Entschei­dungs­be­fug­nisse in der Orga­ni­sa­tion
  • ist ehrgeizig, inves­tiert viel Zeit in den Beruf
  • verfügt häufig über hohe Fach­kom­pe­tenz, ist ein Aufstei­gertyp, häufig über den zweiten Bildungsweg, absol­viert viele Aus- u. Fort­bil­dungen
  • Vorstands­mit­glieder
  • ist mit den Struk­turen der Orga­ni­sa­tion über viele Jahre vertraut
  • legt Wert auf gesell­schaft­li­chen Status und hohen Lebens­stan­dard
  • hat keine ille­galen Wert­vor­stel­lungen
  • versteht sich nicht als krimi­nell handelnd
  • verfügt über ausge­prägte Recht­fer­ti­gungs- und Neutra­li­sie­rungs­tech­niken

Der typi­sche Täter ist also in keinster Weise durch unsere Vorur­teile als klas­si­sche „Betrü­ger­per­sön­lich­keit“ zu iden­ti­fi­zieren, sondern entspricht tenden­ziell eher unserem Bild des vorbild­li­chen Mitar­bei­ters.

Korrup­tion ist nicht neu, sie war immer schon da Die Korrup­tion, die heute ans Licht kommt, ist die, die sich gestern und vorges­tern ereignet hat. Korrup­tion ist zu einem Bestand­teil unseres Wirt­schafts­sys­tems geworden, dessen erstes und oberstes Ziel Profit­ma­xi­mie­rung ist. Wer um jeden Preis einen möglichst hohen Gewinn erzielen muss, kann mitunter der Versu­chung der Korrup­tion erliegen. Jeder Manager, Leiter, Einkäufer, Verkäufer etc., der seine Hand­lungen damit recht­fer­tigt, dass seine Konkur­renten ebenso vorgehen, dass er anders im Wett­be­werb nicht bestehen kann, bestä­tigt diese Erkenntnis. Zahl­reiche Experten und Studien machen deut­lich, dass Schmier­geld­zah­lungen zur aggres­siven Durch­set­zung von Unter­neh­mens­in­ter­essen ein fester Bestand­teil der Geschäfts­po­litik sind und im Lage­bild Korrup­tion des Bundes­kri­mi­nal­amtes (BKA) (Ausgabe 2003, S. 49) wird fest­ge­stellt, dass Bestechung ein „mehr oder weniger profes­sio­nell genutztes Mittel“ des normalen Geschäfts­ge­ba­rens sei.

Problem­feld Gesetz­ge­bung: Was legal ist, kann nicht korrupt sein Die Korrup­ti­ons­wahr­neh­mung in Deutsch­land ist auch dadurch getrübt, dass es hier­zu­lande kaum Anti­kor­rup­ti­ons­ge­setze gibt, denn was nicht illegal ist, kann logi­scher­weise nicht als korrupt bezeichnet werden. Tragbar ist sogar die Behaup­tung, dass Teile der Geset­zes­lage selbst korrup­ti­ons­för­dernd waren und zum Teil noch sind. So war es früher der Fall, dass bestimmte Bestechungs­gelder sogar als Kosten steu­er­lich abzugs­fähig waren. Dieses freund­liche Klima war der perfekte Dünger für die Über­zeu­gung, Korrup­tion sei ein probates und ange­mes­senes Mittel im wirt­schaft­li­chen Wett­be­werb.

Durch die öffent­liche Sensi­bi­li­sie­rung sind poli­tisch in den letzten Jahren viele Schritte zur Korrup­ti­ons­prä­ven­tion und -bekämp­fung voll­zogen worden, z. B. durch die Verbes­se­rung der Geset­zes­lage. So sind Bestechungs­gelder nicht mehr nur nicht steu­er­lich abzugs­fähig, sondern mitt­ler­weile völlig illegal. Die Bestechung auslän­di­scher Staats­be­diens­teter ist heute ebenso strafbar wie die inlän­di­scher, was dem Grunde nach auch vorher schon iden­tisch war, nur vom Gesetz­geber zugunsten der Auftrags­lage inlän­di­scher Unter­nehmen eine lange Zeit nicht straf­be­wehrt war. Nicht nur gegen­über staat­li­chen Stellen, sondern auch im Verhältnis zu anderen Unter­nehmen gibt es heute den Straf­tat­be­stand der Bestechung als Offi­zi­al­de­likt. Schon allein die Gewäh­rung und Annahme von Vorteilen ist strafbar, auch wenn die Verein­ba­rung einer Gegen­leis­tung nicht nach­weisbar ist. Seit dem 01.01.2006 gibt es das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz (IFG), das den Bürgern und den Medien neue Möglich­keiten zur Aufde­ckung von Korrup­tion an die Hand gibt.

Der Bewusst­seins­wandel des Gesetz­ge­bers ist aber leider noch längst nicht zu allen in der Wirt­schaft Tätigen durch­ge­drungen. Was eben­falls nicht verwun­dert, weil noch viele Maßnahmen auf sich warten lassen. So ist die Bestechung von Ange­hö­rigen der freien Berufe (Archi­tekten, Anwälte, Jour­na­listen) weiterhin nicht straf­be­droht, die von Abge­ord­neten ist es nur für einen allzu eng umschrie­benen Tatbe­stand, die Einrich­tung eines – immer wieder gefor­derten – Zentral­re­gis­ters korruptiv tätiger Unter­nehmen wird weiter verzö­gert. Zu einer Rege­lung, die Unter­nehmen und nicht nur Personen strafbar macht, wie es in den USA oder Frank­reich gere­gelt ist, konnte sich der deut­sche Gesetz­geber bisher nicht entschließen.

Zehn von sech­zehn Bundes­län­dern haben Schwer­punkt­staats­an­walt­schaften zur Verfol­gung von Korrup­ti­ons­de­likten einge­richtet. Der Erfolg ist eine deut­lich gestie­gene Aufklä­rungs­quote. Andere Länder halten einen solchen Schritt jedoch nach wie vor für verzichtbar. So gibt es in Bayern und Hessen – und hier mangelt es sicher auch nicht an Korrup­tion – solche Schwer­punkt­de­zer­nate nur für den Bereich der Städte.

Die Erfah­rung zeigt, dass Korrup­tion überall da entdeckt wird, wo man beginnt nach­zu­for­schen. Korrup­tion ist somit ein „Kontroll­de­likt“.

Posi­tive gesetz­liche Entwick­lung: Wer schmiert, arbeitet umsonstBei Korrup­ti­ons­sach­ver­halten besteht die Beson­der­heit, dass auf der Seite des Zuwen­dungs­ge­bers, also des Bestechers, im Regel­fall zwei Personen betei­ligt sind: Die natür­liche Person des Täters, der das Korrup­ti­ons­de­likt, also die Straftat, begeht; daneben aber auch die juris­ti­sche Person, nämlich die Firma (des Täters), die den aus der Unrechtsvereinba­rung mit dem Besto­chenen resul­tie­renden Auftrag erhält. Der aus der Straftat (Kor­ruptionsdelikt) erlangte Vorteil (Auftrag) befindet sich also nicht beim straf­recht­lich verant­wort­li­chen Täter, sondern bei einem Dritten. Folg­lich muss sich die Abschöp­fungsmaßnahme, also die Rück­füh­rung des Scha­dens, gegen diesen Dritten, im Regel­fall also gegen die Firma des Täters, richten. Die Anspruchs­grund­lage hierfür findet sich in § 73 Abs. 3 StGB:

„Hat der Täter oder Teil­nehmer für einen an­deren gehan­delt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anord­nung des Ver­falls … gegen ihn.“

Der Wort­laut dieser Rege­lung erin­nert an die Vertre­ter­vor­schrift aus dem Bürger­li­chen Gesetz­buch. Es ist immer dann unproblema­tisch, wenn der Täter der Vertreter der be­günstigten Firma ist (z. B. Geschäfts­führer einer GmbH). Was ist aber, wenn ein nicht vertre­tungs­be­fugter Täter durch Korrup­tion oder andere Straf­taten das Vermögen seines Unternehmens/Arbeitgebers mehrt (ein lei­tender Ange­stellter der X sorgt dafür, dass sich eine Bundes­be­hörde bei der Bestel­lung neuer Dienst­wagen für X entscheidet; ein Buch­halter bessert aus Angst um den Ver­lust seines Arbeits­platzes ohne Wissen der Firmen­lei­tung die deso­late wirt­schaft­liche Situa­tion seiner Firma auf, indem er beim Finanzamt durch Vorlage gefälschter Rech­nungen Vorsteu­er­erstat­tungen erschwin­delt usw.). Hier stellt sich die Frage nach dem Umfang des Anwen­dungs­be­reichs von § 73 Abs. 3 StGB. Bedeutet die Formu­lie­rung „für einen anderen“, dass der Täter ausschließ­lich für den Dritten tätig geworden sein muss oder darf er auch auto­nome Ziele verfolgen? Muss der Dritte von der Straftat zu seinen Gunsten posi­tive Kenntnis haben oder haf­tet er auch bei Gutgläu­big­keit? Ist aus dem Wört­chen „dadurch“ zu lesen, dass zwischen Straftat des Täters und Bereicherungsein­tritt beim Dritten ein Unmittelbarkeitszu­sammenhang bestehen muss?

All diese Fragen hat der Bundesgerichts­hof in einer für das Abschöp­fungs­recht bahn­bre­chenden Entschei­dung beantwor­tet. Daraus ergibt sich, dass neben dem Zu­wendungsempfänger insbe­son­dere auch der Zuwen­dungs­geber Gefahr läuft, die gesamte durch Korrup­tion erlangte Bruttoauftrags­summe zu verlieren. Damit lässt sich auf der Grund­lage des Abschöp­fungs­rechts die Ansage formu­lieren: „Wer schmiert, arbeitet umsonst!“

Die konse­quente Abschöp­fung der durch Bestechung und Vorteils­ge­wäh­rung er­langten Auftrags­summen, egal ob bei der Ein-Mann-GmbH oder beim Welt­kon­zern, stellt also auch für die Firma des Zuwen­dungsgebers ein hohes wirt­schaft­li­ches Ri­siko dar, wodurch sich hoffent­lich posi­tive Präven­ti­ons­ef­fekte bereits aufseiten von Zu­wendungsgebern entwi­ckeln.

Korrup­ti­ons­prä­ven­tion: Erhö­hung der Entde­ckungs­wahr­schein­lich­keit Die beste Präven­ti­ons­maß­nahme stellt die Erhö­hung der Entde­ckungs­wahr­schein­lich­keit dar, dies gilt insbe­son­dere bei kalku­lier­baren Delikten, wie Wirt­schafts­straf­taten und Kor­ruption. Grund­lage hierfür sind die Verbes­serung und Sensi­bi­li­sie­rung des Umgangs mit Infor­ma­tionen und Verfahren, die Einfüh­rung und/oder bessere Vernet­zung der Kon­trollinstanzen und die effi­zi­ente Orga­ni­sa­tion von Aufklä­rungs­maß­nahmen.

Einsatz von Revi­soren Zur Korruptionsprä­vention empfiehlt sich der Einsatz von exter­nen und internen Revi­soren.

Externe Revi­soren können dabei durch ihre spezia­li­sierten Prüfungen Verdachts­momente entde­cken und aufar­beiten und unter­stützen die Geschäfts­füh­rung, Inhaber und/oder die zustän­digen Kontroll­stellen beim Verdacht auf delikt­i­sche Hand­lungen bei den anzu­wen­denden Verfahren zur Auf­deckung und Anzeige von Korrup­ti­ons­fällen.

Die aktive Rolle bei der Präven­tion fällt internen Revi­soren zu, die mit Maßnahmen wie z. B. dem Aufstellen von Ethik­normen und der Einfüh­rung von Verfahren zur Anzei­ge von betrieb­li­chen Zwei­fels­fällen (Alarm­system) die Korrup­ti­ons­ver­hü­tung steuern.

Drei Prozess­mo­dule zum Umgang mit Kor­ruption Um höchst­mög­liche Effi­zienz bei der Präven­tion, Aufde­ckung und Aufarbei­tung von Korrup­ti­ons­de­likten zu errei­chen, Prozesse. Nach­fol­gend sind einige Maßnah­men beispiel­haft aufge­listet.

Zur Präven­tion gilt es einen ethi­schen Kodex aufzu­stellen, im Rahmen dessen das Grund­ver­ständnis der Berufs­aus­übung auch im Zusam­men­hang mit dolosen Hand­lungen aufge­zeichnet wird. Einkaufs­richt­li­nien sollten klaren Vorgaben folgen. Neue Mitar­beiter oder Mitar­beiter, die in Schlüsselposi­tionen versetzt werden, sollten einem Inte­gritätstest unter­zogen werden. Poten­zi­elle Liefe­ranten sollten im Vorfeld Präventiv­kontrollen unter­zogen werden. Einkaufsent­scheidungen sollten nicht in einer Hand lie­gen, sondern z. B. einem Vier-Augen-Prinzip folgen.

Zur Aufde­ckung eines Korrup­ti­ons­falls sollten Hinweis­ge­ber­sys­teme externe und interne Hinweise entge­gen­nehmen, be­arbeiten und auf Glaub­wür­dig­keit prüfen. Einkaufs­pro­zesse sollten regel­mäßig auf Einhal­tung geprüft und Verstöße dagegen iden­ti­fi­ziert werden. Prozesse und Verträge sollten regel­mäßig durch unab­hän­gige und objek­tive externe Revi­soren geprüft werden, um Vorfälle und Risiken in Prozessen zu iden­ti­fi­zieren. Bei konkretem Verdacht sind Sonder­prü­fungen durch­zu­führen.

Bei Aufde­ckung eines Korrup­ti­ons­falls empfiehlt sich eine struk­tu­rierte Aufarbei­tung. Ein Krisen­ma­nage­ment sollte dabei syste­ma­tisch die Krisen­si­tua­tion untersu­chen und durch Sonder­prü­fungen die ge­nauen Ursa­chen und den Ablauf der dolosen Hand­lungen ermit­teln. Im Anschluss gilt es ange­mes­sene Sank­tionen aufzu­stellen, z. B. die Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nisses bis hin zur Initi­ie­rung einer straf­recht­li­chen Verfol­gung. In einer Nach­gangs­ana­lyse sollte der Vorfall genau doku­men­tiert wer­den und neue Erkennt­nisse sollten in den Präven­ti­ons­pro­zess aufge­nommen werden.

Praxis­bei­spiel: Unterschlagung/Bestechung in Indus­trie­be­trieb Die Ausgangs­si­tua­tion. Durch einen internen Hinweis wurde in einem Indus­trie­un­ter­nehmen die Unter­neh­mens­lei­tung über einen Betrugs­ver­dacht im Bereich des Einkaufs infor­miert. Der externe Revi­sior wurde durch die Geschäfts­lei­tung beauf­tragt, ermit­telnd tätig zu werden. Der Auftrag umfasste die schnelle Sicher­stel­lung des notwen­digen Beweis­ma­te­rials, das den Vorwurf der Unter­schla­gung belegen sollte.

Infra­struktur des Auftrag­ge­bers. Der Einkauf wurde zentral über ein einge­führtes ERP-System abge­wi­ckelt. Es waren zwei eigen­stän­dige und getrennt arbei­tende Abtei­lungen mit der Beschaf­fung beschäf­tigt. Die Zugriffs­be­schrän­kungen und die getrennten Verant­wor­tungen sollten gemein­same Aktionen zum Schaden des Unter­neh­mens vorbeugen und verhin­dern.

Aufga­ben­stel­lung. Aufgrund der großen Menge der zu über­prü­fenden Daten und Doku­mente, musste eine methoden- und tool­ge­stützte Daten­ana­lyse durch­ge­führt werden. Es muss­te ein Abgleich der Geschäfts­vor­fälle erstellt werden, in dem die Liefe­ran­ten­ver­träge mit den entspre­chenden Liefe­rungen, den Eingangs­rech­nungen und den zentralen gespei­cherten Liefer­kon­di­tionen gegen­über­ge­stellt werden.

Vorge­hens­weise. Vorbe­rei­tend wurden die Geschäfts­vor­fälle (Bestel­lungen, Liefer­scheine, Rech­nungen) in eine gemein­same Daten­bank zusam­men­ge­führt. Diese Daten wurden anschlie­ßend mit der zentralen Auftrags- und Kondi­ti­ons­datei durch Verwen­dung eines Analy­se­tools mitein­ander abge­gli­chen, um fest­zu­stellen, inwie­weit Abwei­chungen zwischen den verein­barten und den in den Belegen ausge­wie­senen Kondi­tions- und Zahlungs­be­din­gungen nach­zu­weisen waren. Wegen der Größe des Daten­be­standes und um möglichst schnell zu greif­baren Ergeb­nissen zu kommen, wurden nur das Stich­pro­ben­ver­fahren zur ersten Prüfung ausge­wählt.

Fest­stel­lungen. Weil die Verant­wort­lich­keiten in unter­schied­li­chen Abtei­lungen getrennt waren, fehlte es an einem über­grei­fenden Wissen und damit auch an einer über­grei­fenden Kontrolle. Das Wissen über die Kondi­ti­ons­ver­ein­ba­rungen war nicht ausrei­chend vorhanden, sodass es in den Abtei­lungen möglich war, das zentrale Kondi­ti­ons­system für ihre eigenen Zwecke unbe­merkt zu miss­brau­chen, z. B. ausge­wählten Liefe­ranten vorteil­haf­tere Kondi­tionen einzu­räumen und daran selbst zu parti­zi­pieren.

Ergebnis. In diesem Fall war es möglich, durch den Einsatz entspre­chender Analy­se­tools inner­halb von zwei Monaten eine Verun­treuung in Höhe von ca. 130.000,00 Euro zu erkennen, beweis­kräftig zu doku­men­tieren und die Grund­lage zu schaffen, dass ein großer Teil dieser Gel­der wieder zurück­ge­holt werden konnte.

Resümee Der geschil­derte Praxis­fall links zeigt, wie wichtig es ist, mithilfe eines struk­turierten und metho­di­schen Vorge­hens un­ter Zuhil­fe­nahme geeig­neter Prüf­werk­zeuge wirt­schafts­kri­mi­nelle und dolose Hand­lungen aufzu­de­cken. Da häufig zeit­li­cher Verzug besteht und der Rahmen der Ermitt­lung vor Ort zeit­lich auf ein enges Maß be­grenzt ist, garan­tiert nur ein quali­fi­ziertes und syste­ma­ti­sches Vorgehen ein zweckmä­ßiges und erfolg­rei­ches Handeln der Betrof­fenen.

Die funk­ti­ons­si­cher geglaubte Verarbei­tung von Geschäfts­daten kann immer wieder miss­braucht und für Unre­gel­mä­ßig­keiten und persön­liche Berei­che­rung und Betrug über längere Zeit genutzt werden. Größten­teils werden die über­wie­gende Anzahl der Fälle durch Zufälle, Neid, betro­gene Betrü­ger und das Zusam­men­treffen „unglück­licher“ Umstände bekannt.

Im Fall einer internen Aufde­ckung kom­men dolose Vorgänge oftmals nicht an die Öffent­lich­keit, was zu einer massiven Unter­schätzung ihrer Häufig­keit führt.

Viele verant­wort­liche Entscheidungsträ­ger wiegen sich bei der Durch­füh­rung von Bestechungen in der trüge­ri­schen Sicher­heit, dass bestehende Rechts­schutz- und D&O-Versicherungen einen vollumfäng­lichen Schutz leisten würden. Zwar mögen in gewissen Fällen Scha­den­er­satz­an­sprüche und die Kosten der Rechts­be­ra­tung versi­cherungsseitig abge­deckt sein, für Geldstra­fen besteht aller­dings kein Schutz. Ferner wird der Versi­cherer keines­falls eine Ersatz­person stellen, die für den Verant­wort­li­chen die Haft­strafe antritt, sollte diese verhängt werden.

Leider ist es vielen Verant­wort­li­chen noch nicht bekannt, dass es sowohl vorbeu­gende als auch nach­voll­zieh­bare Methoden und Anwen­dungen gibt, mit deren Hilfe sowohl eine Vermei­dung als auch eine Aufklä­rung erreicht werden kann. Sehr häufig blenden die Verant­wort­li­chen das Thema auch aus, da sie irri­ger­weise der Annahme sind, von Korrup­tion nicht berührt zu sein. Die Praxis wider­legt diese Annahme in allen Punkten. Kein Unter­nehmen ist hierfür zu klein oder sicher.
Tipps und Hinweise zur Korrup­ti­ons­prä­ven­tion

  • Prak­ti­zieren Sie einheit­liche Regeln zur Gewäh­rung und Annahme von Geschenken, Bewir­tungen und sons­tigen Einla­dungen
  • Führen Sie klare Verfahren ein, wie mit ersten Hinweisen oder Beweisen in Bezug auf Korrup­tion umge­gangen wird
  • Nutzen Sie klar defi­nierte, trans­pa­rente Krite­rien und Verfahren bei Rekru­tie­rung, Stel­len­be­set­zung und Beför­de­rung
  • Verpflichten Sie alle Mitar­beiter dazu, Bestechungs­ver­suche sofort anzu­zeigen
  • Bei Beschäf­ti­gung von nahe­ste­henden Personen (z. B. Ange­hö­rige, Lebens­partner) sollten Inter­es­sen­kon­flikte jegli­cher Art ausge­schlossen werden können
  • Stellen Sie Regeln für Spenden und Spon­so­ring auf, die eine Einfluss­nahme auf Entschei­dungen ausschließen
  • Beschäf­tigte sollten in der Regel durch­ge­hend nicht länger als fünf Jahre in korrup­ti­ons­ge­fähr­deten Ressorts einge­setzt werden
  • Die Entschei­dung über die Vergabe von Aufträgen ist von mindes­tens zwei Personen zu treffen
  • Nutzen Sie Früh­warn­sys­teme, z. B. Kontrolle und Über­prü­fung von Zahlungs­flüssen
  • Lassen Sie sich im Beschaf­fungs­ma­nage­ment von neutralen und externen Dienst­leis­tern unter­stützen
  • Kontrol­lieren Sie die Notwen­dig­keit und Ange­mes­sen­heit von Anschluss­auf­trägen (z. B. Nach­träge zu bestehenden Verträgen)
  • Führen Sie regel­mäßig Vertrags­prü­fungen in allen Einkaufs­be­rei­chen durch, auch nach­träg­lich (Contract Manage­ment)