14. September 2020

Beim Probe­ar­beiten auf Vergü­tung und Versi­che­rung achten

Vie­le Fir­men wol­len Be­wer­ber tes­ten. Doch lan­ges Pro­be­ar­bei­ten ohne Ver­gü­tung ver­stößt ge­gen gel­ten­des Recht und die Ver­sicherung ist ein hei­kles The­ma. Der An­walt kann er­klä­ren, was bei Ver­sicherung und Be­zah­lung von Pro­be­ar­bei­tern zu be­achten ist.

Text: Sigrun an der Heiden

st ein Bewerber wirk­lich so gut, wie er sich verkauft? Wenn Chefs kein sicheres Gefühl haben, laden sie Kandi­daten oft zum Probe­ar­beiten ein, auf frei­wil­liger Basis und ohne Bezah­lung. Wenige Tage Hinein­schnup­pern in einen Betrieb – das ist erlaubt und gängige Praxis bei der Bewer­ber­aus­wahl. Solange es für beide Seiten unver­bind­lich bleibt, fällt beim Probe­ar­beiten keine Vergü­tung an. Schließ­lich dient es nur dem Kennen­lernen. Deshalb findet das Probe­ar­beiten ohne Vertrag und gegen­sei­tige Rechte oder Pflichten statt. Unter­nehmer müssen jedoch einige Spiel­re­geln beachten, damit kein Probe­ar­beiten zum Arbeits­ver­hältnis mutiert. Einen Vertrag hat der Bewerber zwar nicht unter­schrieben. Er könnte aber einen einklagen, wenn er richtig mitar­beiten muss. Dann würde ihm für das Probe­ar­beiten eine ange­mes­sene Bezah­lung zustehen. Knifflig ist auch der Zusam­men­hang von Probe­ar­beiten und Versi­che­rung. Ereignet sich während der Schnup­per­phase im Betrieb ein Unfall, zahlt die gesetz­liche Unfall­ver­si­che­rung nicht immer. Firmen­chefs sollten diese Aspekte unbe­dingt mit einem Anwalt bespre­chen.

Frei­­wil­­liges Pro­­be­­ar­­bei­­ten oh­ne Ver­­gü­­tung an­­bie­ten

Experten bezeichnen Probe­ar­beiten als „Einfüh­lungs­ver­hältnis“. Bewerber lernen die betrieb­li­chen Abläufe sowie künf­tige Aufgaben und Kollegen kennen. Der Arbeit­geber wiederum sieht, welcher Kandidat ins Team passt, bevor er nach dem Probe­ar­beiten einen Vertrag anbietet. Ziel ist es also, sich für einen Bewerber zu entscheiden. Davon abzu­grenzen ist die klas­si­sche Probe­zeit im neuen Job oder ein befris­tetes Arbeits­ver­hältnis. Beide enden nach Ablauf der verein­barten Frist. Dagegen schließen die Parteien beim Probe­ar­beiten keinen Vertrag, alles geschieht auf frei­wil­liger Basis. Der Bewerber blickt erfah­renen Mitar­bei­tern über die Schulter und lernt den Joballtag kennen. Erle­digt er dabei klei­nere Aufgaben, lässt sich seine Eignung für den Job leicht testen. Bei Probe­ar­beiten ist keine Vergü­tung vorge­sehen. Die Dauer der Test­phase ist gesetz­lich nicht gere­gelt, eine Grau­zone die Versi­che­rung. Das heißt aber nicht, dass bei Probe­ar­beiten alles erlaubt ist, nur weil es keinen Vertrag gibt. Wer in den Betrieb hinein­schnup­pert, läuft nur mit und ist keine kosten­lose Arbeits­kraft.

Stets sol­­lte Pro­­be­­ar­­bei­­ten ohne Be­­zah­­lung statt­­fin­­den

Heikles Thema ist beim Probe­ar­beiten die Vergü­tung. Kommt der Bewerber zum Schnup­pern in den Betrieb und erle­digt keine konkreten Aufgaben, sollte er fürs Probe­ar­beiten keine Bezah­lung erhalten. Weil der Kandidat nicht ange­stellt ist, muss der Unter­nehmer ihn weder bei den Sozi­al­ver­si­che­rungen anmelden noch bezahlen. Selbst wenn der Joban­wärter für die Firma nütz­liche Tätig­keiten verrichtet, besteht während der Probe­ar­beiten auf Bezah­lung kein Anspruch. Auch der Mindest­lohn gilt nicht. Arbeits­rechtler raten Firmen­chefs sogar davon ab, Lohn zu zahlen. Landet solch ein Fall vor Gericht, erklären Richter diese Schnup­per­tage sonst erfah­rungs­gemäß schnell zum Arbeits­ver­hältnis. Auch bei Probe­ar­beiten ohne Vertrag in Schrift­form. Meis­tens über­nehmen Firmen aller­dings Fahrt­kosten oder zahlen eine kleine Aufwands­ent­schä­di­gung. Dann sollten sie – aber nur nach Absprache mit dem Anwalt – eine entspre­chende schrift­liche Verein­ba­rung mit dem Bewerber schließen. Sie muss regeln, wie das Probe­ar­beiten abläuft und klar­stellen, dass die gezahlte Aufwands­ent­schä­di­gung keine Vergü­tung für geleis­tete Arbeit ist.

Pro­­be­­ar­­bei­­ten mit Ver­­trag kann Un­­ter­­neh­­mer ab­­sich­ern

Sind die Spiel­re­geln vorher klar, gibt es keine Probleme. Eine schrift­liche Verein­ba­rung hilft, die Schnup­per­phase von einem regu­lären Arbeits­ver­hältnis abzu­grenzen. Beim Probe­ar­beiten mit Vertrag macht dieser deut­lich, dass es sich um eine für beide Seiten unver­bind­liche Kennen­lern­phase handelt. Weder ist der Bewerber zur Arbeits­leis­tung verpflichtet, noch erteilt der Firmen­chef ihm Weisungen. In die Verein­ba­rung gehören folgende Punkte:

• Name des Joban­wär­ters
• Ort, Dauer und Zweck des Probe­ar­bei­tens
• Beto­nung der Frei­wil­lig­keit: keine Pflicht zur Arbeits­leis­tung
• Beide Parteien können das Probe­ar­beiten jeder­zeit beenden
• Ansprech­partner für den Bewerber
• Hinweis auf das Haus­recht des Unter­neh­mers
• Keine Bezah­lung für geleis­tete Arbeit, maximal Aufwands­ent­schä­di­gung oder Fahrt­kos­ten­er­stat­tung
• Kein Anspruch auf Fest­an­stel­lung

Bei der Formu­lie­rung hilft der Anwalt. Wichtig zu wissen: Der Vertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist, wenn die Schnup­per­phase in der Praxis anders abläuft. Unter­nehmer müssen beim Probe­ar­beiten bei Vergü­tung und Bezah­lung vorsichtig agieren und sollten auch an die Versi­che­rung denken.

Großes Ri­­si­­ko ist ein Ver­­trag durch die Hin­­ter­­tür

Je länger die Test­phase dauert, desto riskanter ist sie. Häufig geht sie dann über ein „Einfüh­lungs­ver­hältnis“ hinaus. Üblich ist ein Probe­ar­beitstag. Denkbar sind auch mehrere Tage, falls Aufgaben, die der Kandidat künftig über­nehmen soll, nur an bestimmten Wochen­tagen anfallen. Dann ist es aber besser, der Bewerber kommt täglich nur wenige Stunden. Wer Joban­wärter eine Woche oder länger zum Probe­ar­beiten ohne Bezah­lung oder Vergü­tung antanzen lässt, bewegt sich recht­lich auf dünnem Eis. Gibt der Firmen­chef die Anwei­sung, Aufgaben zu erle­digen, für die andere Personen ein Gehalt beziehen, ist das kein Probe­ar­beiten mehr. Gerichte entscheiden dann meis­tens für den Bewerber – wegen still­schwei­gendem Abschluss eines Arbeits­ver­trags. Auch ohne schrift­li­chen Vertrag entsteht beim Probe­ar­beiten ein Arbeits­ver­hältnis, wenn der Bewerber in den Betrieb einge­glie­dert ist. Der Arbeit­geber kann dem Mitar­beiter dann nur im Rahmen der gesetz­li­chen Fristen kündigen. Der Betrieb müsste also mindes­tens vier Wochen die übliche Vergü­tung für das Probe­ar­beiten bezahlen.

Sel­bststän­diges Ar­beiten ist kein Pro­be­ar­bei­ten mehr

Die Spiel­re­geln sind klar: Bewerber laufen nur mit. Weil sie beim Probe­ar­beiten keine Vergü­tung erhalten, sind alle selbst­stän­digen Arbeiten zu vermeiden, für die Fest­an­ge­stellte ein Gehalt beziehen. Einige Beispiele: Wer in der Sales-Abtei­lung zur Probe arbeitet, darf zu Kunden­ge­sprä­chen mitgehen, diese aber nicht selbst führen. Lkw-Fahrer sitzen beim Schnup­pern auf dem Beifah­rer­sitz. Kurzes Rangieren ist erlaubt, selbst­stän­diges Fahren oder Be- und Entladen nicht. Mehr­tä­gige Mitar­beit im Call-Center oder als Verkäu­ferin in einer Bäckerei in Berufs­klei­dung ist auch kein Schnup­pern. Schon beim vermeint­li­chen Probe­ar­beiten ist eine Bezah­lung der geleis­teten Arbeit dann Pflicht. Arbeits­richter entscheiden solche Fälle meist zugunsten der Bewerber: Auch ohne schrift­li­chen Vertrag sei ein Arbeits­ver­hältnis zustande gekommen. Gegen unver­bind­li­ches Probe­ar­beiten spre­chen insbe­son­dere folgende Punkte: Der Bewerber

• muss feste Arbeits­zeiten und Pausen einhalten,
• auf Weisung des Chefs konkrete Tätig­keiten ausführen,
• bestimmte Arbeits­orte aufsu­chen und erhält eine Vergü­tung sowie
• sich an Dienst­pläne halten und Dienst­klei­dung tragen.

Bei Pro­­be­­ar­­bei­­ten kann ge­­setz­­liche Ver­­sich­­erung grei­­fen

Und was ist beim Probe­ar­beiten – neben der Vergü­tung – mit der Versi­che­rung, falls Bewerber sich verletzen? Das war lange heftig umstritten. Meis­tens erklärte sich die gesetz­liche Unfall­ver­si­che­rung für nicht zuständig, schließ­lich sei der Kandidat nicht ange­stellt. Ein neues Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts sieht dies anders: Arbeit­su­chende seien im Betrieb beim Probe­ar­beiten durch die gesetz­liche Versi­che­rung abge­si­chert. Im konkreten Fall lag kein Arbeits­ver­hältnis vor, weil der Bewerber nicht in den Betrieb einge­glie­dert war. Er stürzte am Probe­ar­beitstag bei einem Entsor­gungs­un­ter­nehmen vom Lkw. Die gesetz­liche Unfall­ver­si­che­rung muss dennoch zahlen. Die Tätig­keit des Joban­wär­ters sei von wirt­schaft­li­chem Wert und ermög­liche es dem Unter­nehmen, einen geeig­neten Kandi­daten auszu­wählen. Dieser sei als „Wie-Beschäf­tigter“ gesetz­lich unfall­ver­si­chert, so die Richter. Passiert der Unfall auf dem Weg zum Schnupper-Betrieb, liegt jedoch meist kein Arbeits­un­fall vor. Arbeits­lose haben beim Probe­ar­beiten eine Versi­che­rung in Form der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung, wenn die Arbeits­agentur sie in den Betrieb schickt.

Beim Pro­­be­­ar­bei­­ten ge­­ne­­rell an Ver­­sich­e­rung den­­ken

Heikel wird es mit der Versi­che­rung beim Probe­ar­beiten aber, falls Joban­wärter auf Anwei­sung des Chefs selbst­ständig Tätig­keiten verrichten. Trägt der Bewerber dabei Dienst­klei­dung und bekommt ein Fahr­zeug gestellt, liegt meist ein Arbeits­ver­hältnis vor. Zwar zahlt die gesetz­liche Unfall­ver­si­che­rung dann bei einem Unfall, doch müssen Unter­nehmer Regress­for­de­rungen der Berufs­ge­nos­sen­schaft einkal­ku­lieren. Auch mit den Sozi­al­kassen gibt es Ärger: Der Betrieb hat das – unge­wollt entstan­dene – Arbeits­ver­hältnis nicht ange­meldet, den Bewerber also schwarz beschäf­tigt. Firmen­chefs sollten sich daher im Vorfeld von einem Anwalt beraten lassen. Wer Bewerber länger testen will, verzichtet besser auf ein Probe­ar­beiten und offe­riert einen Vertrag mit Bezah­lung. Ein befris­tetes Arbeits­ver­hältnis zur Probe ist immer möglich. Dann droht kein Problem mit der Versi­che­rung. Reicht ein Schnup­pertag aus, sollten Unter­nehmer dennoch auf den Versi­che­rungs­schutz achten: Verur­sacht der Bewerber im Betrieb nämlich einen Schaden, ist seine private Haft­pflicht­ver­si­che­rung zuständig. Firmen sollten sich bestä­tigen lassen, dass der Kandidat so eine Versi­che­rung hat.


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Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg