4. November 2013

Smart Grid: intel­li­gent vernetzt sparen

Unter­nehmer fürchten stei­gende Strom­preise durch die Ener­gie­wende. Dabei könnten sie in Zukunft sogar weniger zahlen, weil intel­li­gente Netze für eine bessere Lasten­ver­tei­lung und Ausnut­zung rege­ne­ra­tiver Ener­gie­quellen sorgen.

Autor: Pia Weber

Minus 18 Grad – für Axel Stahl­buck, Geschäfts­führer der Cuxha­vener Kühl­haus GmbH, ist das die magi­sche Grenze. Wärmer darf es in seinen Kälte­kam­mern nicht sein, damit Kabeljau, Gemüse und Co. frisch bleiben. Aber diesem Mindest­wert nähert sich das Ther­mo­meter nur selten. Meis­tens liegt die Tempe­ratur nied­riger, so um die 24 Grad unter null. Deut­lich weiter herun­ter­kühlen als eigent­lich notwendig – ist das nicht ein klarer Fall von Geld­ver­schwen­dung? In anderen Betrieben viel­leicht, aber nicht bei der Cuxha­vener Kühl­haus GmbH. „Ich spare so keine Energie, aber Kosten“, sagt Stahl­buck. Für den vermeint­li­chen Wider­spruch hat er eine einfache Erklä­rung: Die Strom­ver­sor­gung seiner Kühl­häuser läuft über ein soge­nanntes Smart Grid und der Firmen­chef profi­tiert von den damit verbun­denen güns­tigen Tarifen. Smart Grids und Smart Meter gelten gemeinhin als neue Allzweck­waffe gegen stei­gende Ener­gie­preise, zuneh­mende CO2-Emis­sionen und weitere Erder­wär­mung. Sie sind damit unver­zicht­barer Bestand­teil der von der Politik ausge­ru­fenen Ener­gie­wende. Als Smart Grid bezeichnet man intel­li­gente Ener­gie­ver­sor­gungs­netze, in denen sich Strom­erzeu­gung und Strom­ver­brauch optimal steuern lassen. Smart Meter sind intel­li­gente Ener­gie­zähler. Sie können Verbrauchs­daten erfassen, spei­chern sowie kommu­ni­zieren und sind die Voraus­set­zung für eine intel­li­gente Steue­rung der Abnahme. Seit 2010 müssen sie in Neubauten instal­liert werden. Mit ihnen kann der Kunde grafisch darge­stellt nach­voll­ziehen, wie viel Strom er tages­ak­tuell verbraucht.

Hinter­grund

Das kenn­zeichnet Smart Grids


Ziel: Der Aufbau intel­li­genter Netze hat tech­ni­sche, wirt­schaft­liche und poli­ti­sche Aspekte. In Smart Grids wollen Befür­worter den Strom aus rege­ne­ra­tiven Ener­gie­quellen
und Kraft-Wärme-Kopp­lung effi­zi­enter verteilen und spei­chern. Bis zu 45 Prozent der
erneu­er­baren Energie ließen sich 2030 sonst nicht nutzen.

Heraus­for­de­rungen: Kriti­siert werden Kosten und geplante Daten­er­fas­sung. Gesteuert
werden Smart Grids über Mess­sys­teme, die Verbrauchs­werte der Privat­per­sonen und
Betriebe auswerten. So lassen sich Nutzer­pro­file erstellen. Der Bundes­da­ten­schutz­be­auf­tragte warnte 2011 vor dem gläsernen Strom­kunden. 2012 wurde bekannt, dass Hacker in den USA ein Unter­nehmen atta­ckiert hatten, das Soft­ware für intel­li­gente Strom­netze entwi­ckelt.

Daten­schutz: Vom Bundesamt für Sicher­heit in der Infor­ma­ti­ons­technik (BSI) stammt
ein Schutz­profil mit Mindest­si­cher­heits­an­for­de­rungen. Smart Meter Gate­ways müssen
auf Basis dieses Schutz­pro­fils geprüft werden und erhalten ein Zerti­fikat als verbind­li­chen
Nach­weis über die Erfül­lung der Schutz­ziele.

Strom nutzen, wenn er da ist Smart Meter liefern auch die Basis­daten zur Steue­rung der Smart Grids. In denen werden die Zahlen von Erzeu­gern und Verbrau­chern sowie Infor­ma­tionen zum Netz­ma­nage­ment erfasst. Das Ergebnis sind detail­lierte Erkennt­nisse über den aktu­ellen und zu erwar­tenden Strom­ver­brauch, die derzei­tigen und mögli­chen Spei­cher­ka­pa­zi­täten sowie die momen­tane und künf­tige Ener­gie­er­zeu­gung. Auf Basis dieser Infor­ma­tionen wird nicht nur entschieden, etwa noch ein Kraft­werk anzu­fahren, weil eine Verbrauchs­spitze droht, die nicht anders abzu­fangen ist. Sie dienen auch dazu, den Strom­preis für kurze Zeit­räume zu erhöhen oder zu senken. Das soll Kunden animieren, ihren Ener­gie­be­darf mit billigem Strom zu stillen, wenn er im Über­fluss vorhanden ist – und wenig zu verbrau­chen, wenn er knapp und damit teuer wird. Nur durch diese Flexi­bi­lität der Abnehmer lassen sich rege­ne­ra­tive Ener­gien gut nutzen. Denn es ist kaum steu­erbar, wann Solar­zellen oder Wind­räder Strom erzeugen.

Im Fall der Cuxha­vener Kühl­haus GmbH tauscht sich ein Smart Meter via Internet konti­nu­ier­lich mit einem soge­nannten virtu­ellen Kraft­werk aus. Das ist ein Zusam­men­schluss von über 40 Ener­gie­er­zeu­gern, unter anderem Wind­parks, eine Biogas­an­lage sowie die Solar­an­lage auf dem Dach eines Erleb­nis­bads. Das Gehirn dieses Netzes, die Leit­warte, erfasst die Daten aller Anlagen und managt Handel sowie Versor­gung. Liefern die Erzeuger viel Strom, weil die Sonne scheint, erhält zum Beispiel das Kühl­haus den Befehl, seine Tempe­ratur herun­ter­zu­fahren. Denn durch das spezi­elle Tarif­system ist der Strom gerade billig. Steigt der Preis, nimmt das Kühl­haus keinen Strom ab – im Extrem­fall, bis die Tempe­ratur wieder knapp an die minus 18 Grad geklet­tert ist und gekühlt werden muss.

Verbrauchs­zeiten anpassen Es geht also bei Smart Grids weniger um das Ener­gie­sparen an sich als um die Nutzung des Stroms dann, wenn er – vor allem aus rege­ne­ra­tiven Quellen wie Wind und Sonne – sowieso im Netz ist. So kann öfter auf umwelt­schäd­liche und teure Ener­gie­er­zeu­gung in konven­tio­nellen Kraft­werken verzichtet werden, was auch finan­zi­elle Einspa­rungen bringt. Die durch die Ener­gie­wende befürch­tete Explo­sion der Strom­preise bliebe aus. Der Verband der Elek­tro­technik Elek­tronik Infor­ma­ti­ons­technik (VDE) hat ausge­rechnet, dass Deutsch­land 2010 rund 25 Giga­watt Lasten­ver­schie­bungs­po­ten­zial besaß. Bis 2030 könnte sich dieser Wert verdop­peln.

Noch steht der Umbau der Ener­gie­ver­sor­gung am Anfang. „Die tech­ni­schen Voraus­set­zungen dafür, dass die Indus­trie möglichst dann Strom verbraucht, wenn Wind und Sonne ihn gerade liefern, sind eher gegeben als entspre­chende tarif­liche Anreize“, meint Matthias Lange, Mitgründer von energy & meteo systems in Olden­burg. Das Unter­nehmen mit 30 Mitar­bei­tern bietet unter anderem Soft­ware an, um virtu­elle Kraft­werke zu betreiben. Nach Langes Ansicht sollten Unter­nehmer unbe­dingt prüfen, ob sich ener­gie­in­ten­sive Prozesse in bestimmte Zeit­fenster verschieben lassen. In Recy­cling­an­lagen etwa könnten Altpa­pier­häcksler zu unter­schied­li­chen Zeiten laufen. Gärt­ne­reien würden dann profi­tieren, wenn sie die Nacht­be­leuch­tung für die Pflanzen irgend­wann im Zeit­raum zwischen Mitter­nacht und vier Uhr morgens einschalten, statt immer genau von ein bis drei Uhr.

Axel Stahl­buck spart durch die opti­male Lasten­ver­tei­lung sechs bis acht Prozent an Strom­kosten. In seinem ener­gie­in­ten­siven Geschäft kommt also schnell eine große Summe zusammen. Das gab letzt­lich den Ausschlag, sich zu betei­ligen, denn zunächst war der Unter­nehmer skep­tisch. Immerhin musste er bereit sein, das Ener­gie­ma­nage­ment seiner Kühl­häuser aus der Hand zu geben – und davon hängt letzt­lich seine Exis­tenz ab. Deshalb hat er sich auch vorbe­halten, als letzte Instanz in die Ener­gie­steue­rung eingreifen zu können: Falls die Tempe­ratur jemals über minus 18 Grad zu steigen droht, darf er einen Notschalter drücken und damit sofort wieder die Kühlung starten.

Check­liste

Diese Daten­schutz­an­for­de­rungen sollten intel­li­gente Systeme erfüllen


  • Die anfal­lenden Daten sind strikt an einen bestimmten Zweck gebunden.
  • Die personen- und betriebs­be­zo­genen Daten werden nur so weit erfasst, wie es nötig ist.
  • Es wird nach dem Grund­satz der Daten­spar­sam­keit gehan­delt, also möglichst wenig erhoben.
  • Die Infor­ma­tionen über die Daten­ver­ar­bei­tungs­tat­be­stände sind trans­pa­rent.
  • Die Daten­ho­heit, etwa bei Fern­mes­sung und Fern­war­tung, liegt beim Unter­nehmer.
  • Die tech­ni­schen Richt­li­nien des Bundes­amts für Sicher­heit in der Infor­ma­ti­ons­technik (BSI)
  • als verbind­liche Stan­dards für tech­ni­schen Daten­schutz und IT-Sicher­heit werden einge­halten.
  • Infor­ma­tionen gibt es unter www.bfdi.bund.de; http://worldsmartgridforum2013.org/; www.bsi.bund.de | Publi­ka­tionen | Tech­ni­sche Richt­li­nien | tr03109.

Quelle: : TRIALOG, Das Unter­neh­mer­ma­gazin Ihrer Berater und der DATEV, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg, Ausgabe 04/2013