Smart Grid: intelligent vernetzt sparen
Unternehmer fürchten steigende Strompreise durch die Energiewende. Dabei könnten sie in Zukunft sogar weniger zahlen, weil intelligente Netze für eine bessere Lastenverteilung und Ausnutzung regenerativer Energiequellen sorgen.
Autor: Pia Weber
Minus 18 Grad – für Axel Stahlbuck, Geschäftsführer der Cuxhavener Kühlhaus GmbH, ist das die magische Grenze. Wärmer darf es in seinen Kältekammern nicht sein, damit Kabeljau, Gemüse und Co. frisch bleiben. Aber diesem Mindestwert nähert sich das Thermometer nur selten. Meistens liegt die Temperatur niedriger, so um die 24 Grad unter null. Deutlich weiter herunterkühlen als eigentlich notwendig – ist das nicht ein klarer Fall von Geldverschwendung? In anderen Betrieben vielleicht, aber nicht bei der Cuxhavener Kühlhaus GmbH. „Ich spare so keine Energie, aber Kosten“, sagt Stahlbuck. Für den vermeintlichen Widerspruch hat er eine einfache Erklärung: Die Stromversorgung seiner Kühlhäuser läuft über ein sogenanntes Smart Grid und der Firmenchef profitiert von den damit verbundenen günstigen Tarifen. Smart Grids und Smart Meter gelten gemeinhin als neue Allzweckwaffe gegen steigende Energiepreise, zunehmende CO2-Emissionen und weitere Erderwärmung. Sie sind damit unverzichtbarer Bestandteil der von der Politik ausgerufenen Energiewende. Als Smart Grid bezeichnet man intelligente Energieversorgungsnetze, in denen sich Stromerzeugung und Stromverbrauch optimal steuern lassen. Smart Meter sind intelligente Energiezähler. Sie können Verbrauchsdaten erfassen, speichern sowie kommunizieren und sind die Voraussetzung für eine intelligente Steuerung der Abnahme. Seit 2010 müssen sie in Neubauten installiert werden. Mit ihnen kann der Kunde grafisch dargestellt nachvollziehen, wie viel Strom er tagesaktuell verbraucht.
Hintergrund
Das kennzeichnet Smart Grids
Ziel: Der Aufbau intelligenter Netze hat technische, wirtschaftliche und politische Aspekte. In Smart Grids wollen Befürworter den Strom aus regenerativen Energiequellen
und Kraft-Wärme-Kopplung effizienter verteilen und speichern. Bis zu 45 Prozent der
erneuerbaren Energie ließen sich 2030 sonst nicht nutzen.
Herausforderungen: Kritisiert werden Kosten und geplante Datenerfassung. Gesteuert
werden Smart Grids über Messsysteme, die Verbrauchswerte der Privatpersonen und
Betriebe auswerten. So lassen sich Nutzerprofile erstellen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnte 2011 vor dem gläsernen Stromkunden. 2012 wurde bekannt, dass Hacker in den USA ein Unternehmen attackiert hatten, das Software für intelligente Stromnetze entwickelt.
Datenschutz: Vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stammt
ein Schutzprofil mit Mindestsicherheitsanforderungen. Smart Meter Gateways müssen
auf Basis dieses Schutzprofils geprüft werden und erhalten ein Zertifikat als verbindlichen
Nachweis über die Erfüllung der Schutzziele.
Strom nutzen, wenn er da ist Smart Meter liefern auch die Basisdaten zur Steuerung der Smart Grids. In denen werden die Zahlen von Erzeugern und Verbrauchern sowie Informationen zum Netzmanagement erfasst. Das Ergebnis sind detaillierte Erkenntnisse über den aktuellen und zu erwartenden Stromverbrauch, die derzeitigen und möglichen Speicherkapazitäten sowie die momentane und künftige Energieerzeugung. Auf Basis dieser Informationen wird nicht nur entschieden, etwa noch ein Kraftwerk anzufahren, weil eine Verbrauchsspitze droht, die nicht anders abzufangen ist. Sie dienen auch dazu, den Strompreis für kurze Zeiträume zu erhöhen oder zu senken. Das soll Kunden animieren, ihren Energiebedarf mit billigem Strom zu stillen, wenn er im Überfluss vorhanden ist – und wenig zu verbrauchen, wenn er knapp und damit teuer wird. Nur durch diese Flexibilität der Abnehmer lassen sich regenerative Energien gut nutzen. Denn es ist kaum steuerbar, wann Solarzellen oder Windräder Strom erzeugen.
Im Fall der Cuxhavener Kühlhaus GmbH tauscht sich ein Smart Meter via Internet kontinuierlich mit einem sogenannten virtuellen Kraftwerk aus. Das ist ein Zusammenschluss von über 40 Energieerzeugern, unter anderem Windparks, eine Biogasanlage sowie die Solaranlage auf dem Dach eines Erlebnisbads. Das Gehirn dieses Netzes, die Leitwarte, erfasst die Daten aller Anlagen und managt Handel sowie Versorgung. Liefern die Erzeuger viel Strom, weil die Sonne scheint, erhält zum Beispiel das Kühlhaus den Befehl, seine Temperatur herunterzufahren. Denn durch das spezielle Tarifsystem ist der Strom gerade billig. Steigt der Preis, nimmt das Kühlhaus keinen Strom ab – im Extremfall, bis die Temperatur wieder knapp an die minus 18 Grad geklettert ist und gekühlt werden muss.
Verbrauchszeiten anpassen Es geht also bei Smart Grids weniger um das Energiesparen an sich als um die Nutzung des Stroms dann, wenn er – vor allem aus regenerativen Quellen wie Wind und Sonne – sowieso im Netz ist. So kann öfter auf umweltschädliche und teure Energieerzeugung in konventionellen Kraftwerken verzichtet werden, was auch finanzielle Einsparungen bringt. Die durch die Energiewende befürchtete Explosion der Strompreise bliebe aus. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) hat ausgerechnet, dass Deutschland 2010 rund 25 Gigawatt Lastenverschiebungspotenzial besaß. Bis 2030 könnte sich dieser Wert verdoppeln.
Noch steht der Umbau der Energieversorgung am Anfang. „Die technischen Voraussetzungen dafür, dass die Industrie möglichst dann Strom verbraucht, wenn Wind und Sonne ihn gerade liefern, sind eher gegeben als entsprechende tarifliche Anreize“, meint Matthias Lange, Mitgründer von energy & meteo systems in Oldenburg. Das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern bietet unter anderem Software an, um virtuelle Kraftwerke zu betreiben. Nach Langes Ansicht sollten Unternehmer unbedingt prüfen, ob sich energieintensive Prozesse in bestimmte Zeitfenster verschieben lassen. In Recyclinganlagen etwa könnten Altpapierhäcksler zu unterschiedlichen Zeiten laufen. Gärtnereien würden dann profitieren, wenn sie die Nachtbeleuchtung für die Pflanzen irgendwann im Zeitraum zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens einschalten, statt immer genau von ein bis drei Uhr.
Axel Stahlbuck spart durch die optimale Lastenverteilung sechs bis acht Prozent an Stromkosten. In seinem energieintensiven Geschäft kommt also schnell eine große Summe zusammen. Das gab letztlich den Ausschlag, sich zu beteiligen, denn zunächst war der Unternehmer skeptisch. Immerhin musste er bereit sein, das Energiemanagement seiner Kühlhäuser aus der Hand zu geben – und davon hängt letztlich seine Existenz ab. Deshalb hat er sich auch vorbehalten, als letzte Instanz in die Energiesteuerung eingreifen zu können: Falls die Temperatur jemals über minus 18 Grad zu steigen droht, darf er einen Notschalter drücken und damit sofort wieder die Kühlung starten.
Checkliste
Diese Datenschutzanforderungen sollten intelligente Systeme erfüllen
- Die anfallenden Daten sind strikt an einen bestimmten Zweck gebunden.
- Die personen- und betriebsbezogenen Daten werden nur so weit erfasst, wie es nötig ist.
- Es wird nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit gehandelt, also möglichst wenig erhoben.
- Die Informationen über die Datenverarbeitungstatbestände sind transparent.
- Die Datenhoheit, etwa bei Fernmessung und Fernwartung, liegt beim Unternehmer.
- Die technischen Richtlinien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
- als verbindliche Standards für technischen Datenschutz und IT-Sicherheit werden eingehalten.
- Informationen gibt es unter www.bfdi.bund.de; http://worldsmartgridforum2013.org/; www.bsi.bund.de | Publikationen | Technische Richtlinien | tr03109.
Quelle: : TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 04/2013