Nachfolge – gelungener Abgang
Viele Mittelständler drücken sich vor der Frage, wie der Generationswechsel aussehen soll – vor allem wenn kein Nachfolger in der Familie bereitsteht. Wer sein Lebenswerk erhalten will, plant 7den Stabwechsel aber früh und gründlich.
Autor: Sigrun an der HeidenDie Zahlen beeindrucken. Über 100 Jahre reicht die Familientradition der alteingesessenen Stuttgarter Firma Stempel-Gmähle-Schilder zurück. 1904 gegründet, ist der Betrieb seit drei Generationen in Familienhand, die vierte steht in den Startlöchern. Das ist solider schwäbischer Mittelstand. Frühzeitig hat Paul Gmähle die Weichen gestellt, um die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Sein Sohn arbeitet seit fünf Jahren im elterlichen Betrieb. Der Zeitplan für den Stabwechsel steht. Der Junior soll schrittweise Verantwortung übernehmen – und dann kommt alles ganz anders. Plötzlich will der Unternehmersohn nicht mehr in die Fußstapfen des Vaters treten und schlägt beruflich einen ganz anderen Weg ein.
Investoren durchleuchten. „Das war ein schwerer Schlag für den Senior“, erinnert sich Klaus Ruder, seit 2005 Inhaber der Stempel-Gmähle-Schilder GmbH & Co. KG. 1995 kam Ruder als familienfremder Geschäftsführer ins Unternehmen. Dass er den Betrieb nach dem Absprung des eigentlich vorgesehenen Nachfolgers zehn Jahre später kaufen würde, war damals nicht absehbar. „Nach einem Jahr gemeinsamer Geschäftsführung zog sich Paul Gmähle zurück und ich durfte das Unternehmen wie mein eigenes führen“, so Ruder. Als der Alt-inhaber mit Ende 60 entschied, den Betrieb zu veräußern, suchte Ruder gemeinsam mit dem Steuerberater der Firma einen Käufer.
Bald wurde dem Geschäftsführer klar, dass die Interessenten nur Umsatz und Kunden übernehmen wollten: „Das Unternehmen und die Mitarbeiter waren zweitrangig.“ Deshalb entschloss er sich, den Zwölf-Mann-Betrieb selbst zu kaufen und weiterzuführen. Sein Vorteil: Er kannte das Unternehmen, die Kunden sowie alle Verträge und wusste das Potenzial einzuschätzen. Mit Paul Gmähle wurde Ruder schnell handelseinig. „Der Steuerberater errechnete einen fairen Preis“, lobt der Nachfolger. „Der Inhaber hatte keine überzogenen Vorstellungen und die Preisfindung war transparent.“
Oft endet der Generationswechsel im Mittelstand weniger glücklich. Wer die Suche nach einem geeigneten Nachfolger nicht früh forciert, setzt sein Lebenswerk aufs Spiel. Dabei wird es immer schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden, weil auch Unternehmer mit dem Problem des demografischen Wandels konfrontiert sind. Nach Schätzungen des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) steigt die Zahl der Firmen, bei denen eine Übergabe ansteht. Viele Inhaber stehen kurz vor dem Rentenalter. 2012 seien rund 105.000 Betriebe reif für die Nachfolge, 2020 bereits 124.000. Gleichzeitig gibt es auch in Unternehmerfamilien immer weniger Kinder, unter denen sich ein geeigneter Nachfolger finden könnte. Dadurch wird der Generationswechsel immer mehr zum Risiko. 40 Prozent der Firmenchefs räumen laut einer Studie der TNS Emnid Medien- und Sozialforschung GmbH in Bielefeld ein, dass sie ihren eigenen Nachwuchs für fachlich ungeeignet halten, den Betrieb fortzuführen, 29 Prozent sehen persönliche Defizite.
Konsequent loslassen. „Der Nachname allein macht keinen Unternehmer“, bringt es Birgit Felden auf den Punkt. Die Professorin für Mittelstand und Unternehmensnachfolge forscht und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Neben fachlicher sowie persönlicher Eignung, sagt sie, brauchen Nachfolger unternehmerische Qualitäten wie Risikobereitschaft und strategischen Weitblick. Doch selbst wenn ein Kind das Zeug zum Firmenchef hat, ist der Stabwechsel oft zum Scheitern verurteilt, da der Senior einfach nicht loslassen kann. „Natürlich ist eine gemeinsame Übergangszeit von Vorteil“, meint Detlef Keese vom Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim. „Der Nachfolger lernt Unternehmen, Kunden sowie Mitarbeiter kennen und kann in seine Aufgabe hineinwachsen.“ Trotzdem sieht der Forschungsbereichsleiter Familienunternehmen eine solche Konstellation mit Skepsis: „Das funktioniert nur mit einer klaren Kompetenzabgrenzung.“
Expertenrat
So unterstützt Sie der Steuerberater
Nachfolge steuerlich optimieren: Der Steuerberater hilft Ihnen, die gefundene Nachfolgelösung möglichst steuergünstig zu gestalten und rechtlich abzusichern. Er prüft, ob eine Betriebsaufspaltung sinnvoll ist, um Vermögenswerte wie Grundstücke beim Senior zu belassen. Und er informiert Sie, welche Pflichtteilsansprüche jene Kinder haben, die nicht ins Unternehmen einsteigen wollen.
Unternehmensverkauf vorbereiten: Hier unterstützt der Steuerberater bei der Weichenstellung und hilft, die Zahlen aufzubereiten, auf deren Basis eine Unternehmensbewertung stattfinden kann.
Welche Dramen sich abspielen können, wenn der Senior weiter reinregiert, war jüngst bei der Unternehmensgruppe Fischer in Waldachtal zu beobachten. Patriarch Klaus Fischer hatte 2011 die operative Führung des Dübel- und Schraubenherstellers an seinen Sohn Jörg Klaus abgegeben. Bereits im April 2012 schmiss dieser hin und verließ das Unternehmen „wegen gravierend unterschiedlicher Auffassungen.“ Klaus Fischer hat nun – kurz vor dem Rentenalter – wieder das alleinige Sagen. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
Einen Fahrplan vereinbaren. „Hier wurden im Vorfeld offensichtlich die Hausaufgaben nicht gemacht“, kommentiert Birgit Felden den Fall. Unternehmer müssten die Nachfolge systematisch angehen, indem sie Wünsche und Ziele der Beteiligten berücksichtigen. Schnellschüsse sind zum Scheitern verurteilt. Die Vorbereitung und Umsetzung des Stabwechsels dauert mindestens drei bis fünf Jahre und sollte einem festgelegten Fahrplan folgen. „Die Übertragung der Geschäftsführung und des Vermögens sollten Unternehmer getrennt betrachten“, rät Felden. Erst wenn der Nachfolger gefunden ist und der Nachfolgefahrplan steht, werden rechtliche Absicherung und steuerliche Optimierung der Firmenübergabe relevant.
Steuerberater und Anwalt des Betriebs helfen hier, die Weichen richtig zu stellen. Wer Unternehmensteile herauslösen oder Anteile an der Firma vorab übertragen will, braucht das Know-how des Beraters. Auch ein Verkauf muss gut vorbereitet sein, damit der Betrieb nicht zum Ladenhüter wird. „Nur wenn der Senior die Firma profitabel geführt und Investitionen nicht vernach‑
lässigt hat, ist der Einstieg für einen familienfremden Nachfolger attraktiv“, sagt ifm-Experte Keese.
An die Alternativen denken. Das weiß auch Klaus Ruder, der sich – durch die Erfahrung seines eigenen überraschenden Einstiegs bei Stempel-Gmähle-Schilder klug geworden – gleich mehrere Nachfolge-Optionen offenhält. Wollen seine Kinder nach dem Studium nicht den Betrieb übernehmen, braucht er Alternativen. Ruder denkt an einen Juniorpartner, schließt aber auch eine Fusion nicht aus. Er ist auf alles vorbereitet: „Das Unternehmen ist so aufgestellt, dass jeder Mitarbeiter seinen Entscheidungsrahmen hat und weiß, was er tun muss, sollte ich ausfallen.“ Die Firma läuft auch ohne Chef. Das erleichtert einem Nachfolger den Einstieg. „Und außerdem kann ich beruhigt in Urlaub fahren“, freut sich Ruder.
Checkliste
Diese Punkte müssen Sie bei der Nachfolge beachten
Zeitplan: Beginnen Sie frühzeitig mit der Vorbereitung Ihres Rückzugs. Planung und Umsetzung des Generationswechsels dauern mindestens drei bis fünf Jahre.
Kandidaten: Reden Sie mit der Familie darüber, wer nachfolgen könnte und auch wirklich will. Prüfen Sie Alternativen: Ein fähiger Mitarbeiter oder externer Manager ist häufig ein besserer Kandidat als ein unwilliger oder unzureichend qualifizierter Angehöriger.
Investitionen: Stärken Sie die Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens. Werden notwendige Investitionen vernachlässigt, ist der Einstieg für externe Nachfolger uninteressant.
Organisation: Machen Sie sich überflüssig. Stellen Sie den Betrieb so auf, dass er auch ohne Sie läuft. Dafür müssen klare Verantwortungsbereiche und Vollmachten festgelegt werden.
Wertermittlung: Lassen Sie durch eine objektive Unternehmensbewertung den fairen Preis feststellen. Oft scheitert die Nachfolge an überzogenen Preisvorstellungen des Seniors.
Übertragung: Geben Sie die Unternehmensanteile schrittweise in andere Hände. Das erleichtert dem Nachfolger die Finanzierung des Kaufs.
Zurückhaltung: Verabschieden Sie sich aus dem Tagesgeschäft: Der Senior sollte dem Nachfolger als Ratgeber zur Verfügung stehen, sich aber nicht ständig einmischen.
Informationen: Mehr erfahren Sie unter folgenden Internet-Adressen: www.nexxt.org, www.nexxt-change.org, www.nexxt.org/partner/freie_berufe/index.php.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 02/2013