15. April 2012

Fünf Wahr­heiten über Grie­chen­land, Gold, die Infla­tion, den Boom und die Banken

Ein Kommentar von Philipp Dobbert (Volks­wirt quirin bank AG)

Eine unab­hän­gige und kompe­tente Bank­be­ra­tung ist durch nichts zu ersetzen. Es schadet aber nicht, über die aktu­ellen Brenn­punkte der globalen Finanz­welt Bescheid zu wissen. Damit Sie mitreden können, haben wir die fünf wich­tigsten Themen für Sie analy­siert und einge­ordnet.

1. Akti­en­hype: Euphorie ja – Boom nein. Wegen der guten Stim­mung an den Akti­en­märkten spre­chen viele schon von einem Boom. Das ist über­trieben. Viel­mehr signa­li­sieren die Konjunk­tur­in­di­ka­toren eine nicht ganz so dras­ti­sche Abküh­lung, wie noch Ende vergan­genen Jahres zu befürchten war. Wir erin­nern uns: Im Herbst 2011 waren die Finanz­märkte sehr zurück­hal­tend. Welt­weit wurde ein gesamt­wirt­schaft­li­cher Einbruch erwartet. Das zweite „Rettungs­paket“ für Grie­chen­land stand auf der Kippe und neue Daten über die prekäre Lage des euro­päi­schen Banken­sek­tors wurden publik. Vor diesem Hinter­grund waren die Börsen über­mäßig schwach. Dann haben die wirt­schaft­li­chen Früh­in­di­ka­toren die Finanz­welt positiv über­rascht – sowohl in Deutsch­land (weniger Europa) als auch in den USA und China. Die Skepsis in den konjunk­tu­rellen Erwar­tungen wich einer gewissen Euphorie. Zusätz­lich – und das dürfte der entschei­dende Faktor gewesen sein – beschloss die Euro­päi­sche Zentral­bank (EZB) Anfang Dezember 2011, die euro­päi­schen Banken für bis zu drei Jahre mit beliebig hohen Summen an Liqui­dität zu versorgen. Fast 500 Milli­arden Euro wurden abge­rufen. Ende Februar 2012 stellte die EZB noch einmal mehr als 500 Milli­arden Euro bereit und sorgte für ausrei­chende Liqui­dität. Der Markt hatte verstanden: Die EZB würde alles Nötige und Mögliche tun, um den euro­päi­schen Banken­sektor zu stützen, was die Risi­ko­wahr­neh­mung verrin­gerte. Ande­rer­seits bleiben die Risiken weiter enorm hoch. Folg­lich wird es eine Korrektur der Akti­en­markt­ent­wick­lung geben und insge­samt wird die Vola­ti­lität des Akti­en­marktes hoch bleiben.

2. Gold: Real­werte sind auch weiterhin eine vorteil­hafte Anlage. Das wirt­schaft­liche Umfeld ist unsi­cher. Davon profi­tieren Inves­ti­tionen in Real­werte, vor allem in Immo­bi­lien und Gold. Vieles spricht dafür, dass sich das Edel­me­tall auch weiterhin in einem lang­fris­tigen Aufwärts­trend befindet. Gold profi­tiert zudem in zwei­fa­cher Weise von den Liqui­di­täts­spritzen der Zentral­banken welt­weit. Zum einen fließt die bereit­ge­stellte Liqui­dität auch in diese Asset-Klasse, zum anderen entfaltet sich eine zusätz­liche Nach­frage wegen der Infla­ti­ons­ängste, die die expan­sive Geld­po­litik der Zentral­banken hervor­ruft. Die an den Finanz­märkten derzeit alles domi­nie­rende Suche nach Sicher­heit führt aber gleich­zeitig auch dazu, dass andere Asset-Klassen sich unty­pisch entwi­ckeln. So führt die massive Nach­frage nach deut­schen Staats­an­leihen dazu, dass deren Kurse in die Höhe schnellen, die Verzin­sung aber in den Keller rauscht. Unab­hän­gige und sorg­fäl­tige Bera­tung ist für die Geld­an­lage in einem solchen Umfeld wich­tiger denn je.

3. Grie­chen­land: Die Hilfs­pa­kete lösen die funda­men­talen Probleme nicht. Erst im Februar hat der Bundestag dem zweiten Hilfs­paket für Grie­chen­land zuge­stimmt. Im Gegenzug für die weitere Unter­stüt­zung der Euro-Staaten verpflichtet sich der grie­chi­sche Staat zu einem Konso­li­die­rungs­kurs. Die Finanz­märkte – aber natür­lich auch die Geld­geber für die Hilfs­pa­kete, also alle Steu­er­zahler in der Euro­päi­schen Union – müssen glaub­haft davon über­zeugt werden, dass Grie­chen­land kein Fass ohne Boden ist und die Hilfs­gelder erstens zurück­ge­zahlt werden können und zwei­tens die Staats­fi­nanzen des Landes tatsäch­lich stabi­li­sieren. Das Problem: Die staat­li­chen Spar­maß­nahmen bewirken einen zusätz­li­chen nega­tiven Konjunk­tur­im­puls für Grie­chen­land, dessen Wirt­schaft sich ohnehin bereits in einer langen und tiefen Rezes­sion befindet. Das macht ein zusätz­li­ches Konjunktur-Hilfs­pro­gramm der EU-Partner für Grie­chen­land erstens nötig und zwei­tens auch sehr wahr­schein­lich. Ande­ren­falls wird sich die grie­chi­sche Bevöl­ke­rung nicht länger zu den massiven Spar­an­stren­gungen bereit erklären.

4. Preise: Wir leben in einem infla­tio­nären Umfeld. Die Entwick­lung des Preis­ni­veaus hängt derzeit vor allem vom kräftig stei­genden Ölpreis ab. Auch die expan­sive Geld­po­litik der Noten­banken welt­weit kann zu einem Infla­ti­ons­druck führen, wenn sie Infla­ti­ons­er­war­tungen bei privaten Haus­halten und Unter­nehmen schürt. Das bedeutet, dass diese beginnen, ihre wirt­schaft­li­chen Akti­vi­täten entspre­chend auszu­richten – also höhere Löhne zu fordern oder Produkt­preise zu erhöhen. Demge­gen­über steht die Möglich­keit, dass sich das globale Wirt­schafts­wachstum wieder deut­lich abschwächt und sich der Preis­druck verrin­gert. Aus unserer Sicht ist ein Szenario am wahr­schein­lichsten, in dem die Infla­ti­ons­raten deut­lich ansteigen, das Wirt­schafts­wachstum aber äußerst verhalten bleibt.

5. Banken: Das System muss sich auf seine eigent­liche Funk­tion zurück­be­sinnen. Eine wesent­liche Moti­va­tion für die Grie­chen­land-Hilfen und auch für die Liqui­di­täts-Aktionen der EZB ist es, die noch immer schwer ange­schla­genen Banken zu stützen. Zuspit­zungen oder gar neue Schief­lagen im Banken­sektor können über Miss­trauens- und Anste­ckungs­ef­fekte verhee­rende Auswir­kungen auf den gesamten Wirt­schafts­kreis­lauf haben. Dadurch wird deut­lich, welche wich­tige Rolle der Banken­sektor für den Wirt­schafts­kreis­lauf spielt, wenn er seine eigent­liche volks­wirt­schaft­liche Funk­tion – die Liqui­di­täts­ver­sor­gung von Haus­halten und Unter­nehmen sowie die Kredit­ver­gabe – verant­wor­tungs­voll erfüllt. Hierauf müssen sich auch die inter­na­tio­nalen Groß­banken wieder fokus­sieren.

Die Infor­ma­tionen des Markt­kom­men­tars stammen aus öffent­lich zugäng­li­chen Quellen, die wir für zuver­lässig halten. Für die Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der Angaben wird keine Gewähr über­nommen. Die zum Ausdruck gebrachten Meinungen beruhen auf der aktu­ellen Einschät­zung des Verfas­sers und stellen nicht notwen­di­ger­weise die Meinung der quirin bank dar. Sie können sich ohne vorher­ge­hende Ankün­di­gung ändern. Der ausge­ar­bei­tete Markt­kom­mentar dient nur zu Infor­ma­ti­ons­zwe­cken und gilt nicht als Angebot oder Auffor­de­rung zum Kauf oder Verkauf von Wert­pa­pieren.