27. Dezember 2011

Kosten fürs Erst­stu­dium absetzbar!

Mit seinen zwei kürz­lich gefällten Urteilen vom 28.07.2011 (VI R 38/10 und VI R 7/10) hat der Bundes­fi­nanzhof die bishe­rige Ausle­gung der Rechts­lage zum Thema Werbungs­kos­ten­abzug bei einer Erst­aus­bil­dung oder einem Erst­stu­dium aufge­geben und komplett erneuert.

Ausbil­dungs­kosten eines Piloten. Im ersten dieser zwei vom Bundes­fi­nanzhof entschie­denen Fälle bean­tragte der Kläger seine ihm durch eine Pilo­ten­aus­bil­dung entstan­denen Ausbil­dungs­kosten im Jahre 2004 in Höhe von fast 28.000 Euro in seiner Einkom­men­steuer als einkom­men­steu­er­lich wirk­samen Verlust­vor­trag fest­zu­stellen, da es sich seiner Ansicht nach um vorweg­ge­nom­mene Werbungs­kosten für seine ange­strebte zukünf­tige nicht selb­stän­dige Tätig­keit als Pilot handele. Das Finanzamt ebenso wie das Finanz­ge­richt lehnten diese Auffas­sung aller­dings aus den im Folgenden darge­stellten Gründen ab.

Aufwen­dungen im Rahmen eines Medi­zin­stu­diums. Im zweiten Streit­fall bean­tragte die Klägerin die Aufwen­dungen, welche ihr im Rahmen ihres Medi­zin­stu­diums direkt nach dem Schul­ab­schluss (Erst­stu­dium) entstanden sind, ebenso als vorab entstan­dene Werbungs­kosten bei den Einkünften aus nicht selb­stän­diger Arbeit anzu­er­kennen. Auch dieser Antrag wurde sowohl durch das Finanzamt als auch das Finanz­ge­richt abge­lehnt. Diese geschil­derten Entschei­dungen der Finanz­ämter und Urteile der Finanz­ge­richte folgten der bishe­rigen allge­mein verbrei­teten Annahme, dass die Rege­lung des im Jahre 2004 einge­führten § 12 Nr. 5 EStG die Fest­stel­lung als vorweg­ge­nom­mene Werbungs­kosten ausschließt. § 12 Nr. 5 EStG besagt, dass Aufwen­dungen des Steu­er­pflich­tigen für seine erst­ma­lige Berufs­aus­bil­dung und für ein Erst­stu­dium, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienst­ver­hält­nisses statt­finden, als nicht abzugs­fä­hige Ausgaben gelten. Einzeln betrachtet erschien es dem Wort­laut nach also logisch, dass Kosten für ein Erst­stu­dium nicht als vorweg­ge­nom­mene Werbungs­kosten im Rahmen eines Verlust­vor­trags berück­sich­tigt werden dürfen, da es typi­scher­weise an einem Dienst­ver­hältnis fehlt.

Revi­sionen beim Bundes­fi­nanzhof. Im Rahmen der Revi­sionen der beiden Kläger folgte der Bundes­fi­nanzhof dieser Rechts­aus­le­gung nicht. Er wies darauf hin, dass nicht nur die einzelne Norm betrachtet werden dürfe, sondern dass es hier um ein syste­ma­ti­sches Zusam­men­wirken der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs.1 Nr. 7, 12 EStG gehe und somit das Zusam­men­wirken der jewei­ligen einzelnen Vorgaben betrachtet werden müsse. § 9 Abs.1 EStG defi­niert Werbungs­kosten als Aufwen­dungen zur Erwer­bung, Siche­rung und Erhal­tung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzu­ziehen, bei der sie entstanden sind. In einem früheren Urteil präzi­sierte der Bundes­fi­nanzhof, dass es sich um Werbungs­kosten handele, wenn die Aufwen­dungen durch den Beruf oder durch die Erzie­lung steu­er­pflich­tiger Einnahmen veran­lasst sind. Eine entspre­chende Abgren­zung zwischen beruf­li­chen und nicht beruf­li­chen Aufwen­dungen erfolgt nach dem Veran­las­sungs­prinzip. Aufwen­dungen können gemäß dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt als beruf­lich veran­lasst gehan­delt werden, wenn „ein objek­tiver Zusam­men­hang mit dem Beruf besteht und die Aufwen­dungen subjektiv zur Förde­rung des Berufs geleistet werden.“ Es ist hierbei völlig ausrei­chend, wenn es sich um eine Förde­rung im weitesten Sinne handelt.

Grund­lagen der Recht­spre­chungs­än­de­rung. Entschei­dend für den Rich­tungs­wechsel des Bundes­fi­nanz­hofs ist § 10 EStG. Dessen Einlei­tungs­satz besagt, dass Aufwen­dungen dann als Sonder­aus­gaben ange­sehen werden, wenn sie weder Betriebs­aus­gaben noch Werbungs­kosten sind. Dieser Satz impli­ziert, dass der Abzug von Werbungs­kosten gegen­über dem Sonder­aus­ga­ben­abzug vorrangig ist, was vom Bundes­fi­nanzhof als „normierter Grund­satz“ bezeichnet wird. Demzu­folge steht § 10 Abs.1 Nr. 7 EStG einem Abzug der Ausbil­dungs­kosten als Werbungs­kosten nicht entgegen und kann somit auch nicht wie eine „Sperre“ ange­wandt werden, wie es bis dahin der Fall war. Er nennt zwar die Aufwen­dungen für eine eigene Berufs­aus­bil­dung als Sonder­aus­gabe, aller­dings ist dies unter Betracht des Einlei­tungs­satzes so zu verstehen, dass es sich dabei nur um Kosten handelt, die vorher explizit als Werbungs­kosten ausge­schlossen wurden. § 10 EStG räumt der Prüfung, ob die Voraus­set­zungen zum Ansatz als Werbungs­kosten erfüllt sind, also die Prio­rität ein. Ähnlich verhält es sich mit dem anfangs bereits zitierten § 12 Nr. 5 EStG. Denn auch dieser steht unter dem Anwen­dungs­vor­be­halt des Einlei­tungs­satzes des § 10 EStG, auf welchen er ausdrück­lich verweist. Der Bundes­fi­nanzhof macht so in seiner Argu­men­ta­tion deut­lich, dass es keinerlei gesetz­liche Grund­lage dafür gibt und es somit nicht „Wille des Gesetz­ge­bers“ sei, dass die Vorran­gig­keit des Werbungs­kos­ten­ab­zugs einge­schränkt oder sogar aufge­hoben werden könne.

Entschei­dung des Bundes­fi­nanz­hofs. Als Konse­quenz kommt der Bundes­fi­nanzhof zu dem Ergebnis, dass „Aufwen­dungen für die eigene Berufs­aus­bil­dung auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungs­kosten abziehbar sind, sofern ein hinrei­chend konkreter Veran­las­sungs­zu­sam­men­hang zwischen den Aufwen­dungen und der späteren auf Einkünf­te­er­zie­lung gerich­teten Berufs­tä­tig­keit besteht“ (VI R 38/10). Entgegen früherer Urteile ändert der Bundes­fi­nanzhof seine Auffas­sung also dahin­ge­hend, dass er nicht mehr alleine durch die Aussage des § 12 Nr. 5 EStG das Fehlen eines konkreten Zusam­men­hangs zwischen einer Erst­aus­bil­dung und einer späteren beruf­li­chen Tätig­keit begründet sieht, da hierfür keine Anhalts­punkte im Wort­laut der Norm zu finden sind. Demzu­folge wurde im ersten Fall entschieden, dass durchaus ein konkreter Veran­las­sungs­zu­sam­men­hang zwischen den Aufwen­dungen im Rahmen der Ausbil­dung zum Berufs­pi­loten und der anschlie­ßenden Berufs­tä­tig­keit des Klägers als Pilot besteht. Ebenso verhält es sich im Streit­fall der Medi­zin­stu­dentin, auch dort kann man von einem konkreten Zusam­men­hang zwischen dem Medi­zin­stu­dium und einer späteren Tätig­keit als Ärztin ausgehen. Ein entspre­chender Veran­las­sungs­zu­sam­men­hang ist „regel­mäßig gegeben, wenn das Studium Berufs­wissen vermit­telt und damit auf die Erzie­lung von Einnahmen gerichtet ist“ (VI R 38/10).

Folgen für die Praxis. Ob die Aufwen­dungen, die im Rahmen eines Erst­stu­diums oder auch einer Erst­aus­bil­dung anfallen, als Sonder­aus­gaben oder als Werbungs­kosten abge­zogen werden können, macht für Sie als Steu­er­pflich­tigen einen erheb­li­chen Unter­schied!

Werden die Kosten als Sonder­aus­gaben aner­kannt, ist der Abzug zunächst der Höhe nach auf maximal 4.000 € beschränkt (§ 10 Abs.1 Nr. 7 EStG). Hinzu kommt, dass wenn bspw. der Studie­rende während des Studiums keine Einnahmen erzielt, die über den Grund­frei­be­trag von 8.004 € hinaus­gehen, was in den meisten Fällen der Regel entspricht, kann der Anspruch auf Abzug als Verlust nicht auf kommende Jahre vorge­tragen werden. Mit anderen Worten: In den meisten Fällen entfällt der Anspruch und damit auch der für Sie möglich gewe­sene steu­er­liche Vorteil und Nutzen. Genau hier besteht der Vorteil der Aner­ken­nung von Aufwen­dungen als Werbungs­kosten: Sie können als vorweg­ge­nom­mene Werbungs­kosten im Rahmen des Verlust­ab­zugs auf spätere Jahre vorge­tragen werden und mindern so das zu versteu­ernde Einkommen des Steu­er­pflich­tigen in den ersten Jahren der Berufs­tä­tig­keit nach Abschluss des Studiums. Da diese Methode in den meisten Fällen die vorteil­haf­tere ist, hat der Bundes­fi­nanzhof mit seinen Urteilen den Weg dafür geebnet, dass es für fast jeden Studenten attraktiv ist, eine Steu­er­erklä­rung einzu­rei­chen, um so mögli­cher­weise eine Steu­er­ver­güns­ti­gung in den ersten Jahren der Berufs­tä­tig­keit genießen zu können.