14. April 2021

Risi­ko­prä­ven­tion durch Verän­de­rungs­be­reit­schaft

Gewohnte Sicht- und Verhal­tens­weisen abzu­legen, fällt nicht nur privat schwer, sondern auch im betrieb­li­chen Umfeld. Bei sich wandelnden externen Anfor­de­rungen mündet mangelnde Verän­de­rungs­be­reit­schaft oft in einer wirt­schaft­li­chen Gefähr­dung. Diesem Risiko kann durch gezieltes Change-Manage­ment begegnet werden.

In der Wirt­schaft und der Welt allge­mein geben schon seit geraumer Zeit perma­nente Verän­de­rungen und eine stetig zuneh­mende Komple­xität den Ton an. Vor diesem Hinter­grund stehen Unter­nehmen vor beson­deren Heraus­for­de­rungen – und insbe­son­dere der digi­tale Wandel stellt immer höhere Ansprüche an Unter­nehmen, die zukunfts­fähig bleiben wollen. Aber auch um Verän­de­rungen im Rahmen externer Krisen effektiv zu bewäl­tigen, bedarf es in Unter­nehmen einer grund­le­genden Bereit­schaft für Lösungen und Verhal­tens­weisen.

Ein nach­haltig imple­men­tiertes Change-Manage­ment (oder Verän­de­rungs­ma­nage­ment) befä­higt Unter­nehmen, jeder­zeit auch plötz­liche Verän­de­rungen anzu­nehmen und produktiv mit diesen umzu­gehen. Change-Manage­ment ist somit elemen­tarer Teil der Risi­ko­prä­ven­tion in Orga­ni­sa­tionen. Denn nur Unter­nehmen, die offen für anste­hende Verän­de­rungen und in der Lage sind, Wandel proaktiv und voraus­schauend zu managen, können in einer sich konti­nu­ier­lich verän­dernden Welt erfolg­reich sein.

Was ist Change-Manage­ment?

Unter­nehmen mit einem effek­tiven Change-Manage­ment schaffen es, ihre Stra­te­gien, Systeme, Prozesse und Struk­turen an die sich ständig wandelnden äußeren Bedin­gungen anzu­passen. Dazu gehören wirt­schaft­liche und tech­ni­sche, aber auch gesell­schaft­liche und soziale Verän­de­rungen, wie man am Beispiel der Corona-Krise gut erkennen kann.

Um die Bereit­schaft herzu­stellen, jeder­zeit ange­messen auf Verän­de­rungen reagieren zu können, sind aufwen­dige Prozesse des orga­ni­sa­tio­nalen Lernens nötig. Diese zielen auf die Verän­de­rung von Orga­ni­sa­ti­ons­kul­turen ab – also die Kultur, die Führungs­richt­li­nien von Unter­nehmen sowie die sich daraus erge­benden Systeme und Prak­tiken umfasst. Die Unter­neh­mens­kultur kann als Begren­zung eines Spiel­felds gesehen werden, inner­halb derer sich alle anderen Akti­vi­täten ereignen. Ihr Einfluss ist also allge­gen­wärtig.

Um die Unter­neh­mens­kultur nach­haltig zu beein­flussen, sind Verän­de­rungen in den Einstel­lungen und dem Verhalten der Mitar­beiter, aber auch in den Werten und Normen auf der Gruppen- und orga­ni­sa­tio­nalen Ebene sowie in den Prak­tiken des Perso­nal­ma­nage­ments unver­meid­lich.

So exis­tieren verschie­dene Modelle, die den Ablauf sozialer Verän­de­rungen in Orga­ni­sa­tionen und Gesell­schaften veran­schau­li­chen. Das Modell von John P. Kotter, Professor für Führungs­ma­nage­ment an der Harvard Univer­sity, ist beson­ders populär und findet nicht nur in der Forschung, sondern auch in der stra­te­gi­schen Unter­nehmens­führung Anwen­dung. Das Modell führt acht erfolgs­kri­ti­sche Phasen auf, derer man sich für ein erfolg­rei­ches Change- Manage­ment annehmen muss:

  • Gefühl der Dring­lich­keit wecken
  • Führungs­team zusam­men­stellen
  • Entwi­ckeln einer Vision und Stra­tegie
  • Kommu­ni­zieren der Vision: Verständnis und Akzep­tanz errei­chen
  • Mitar­beiter befä­higen: Hinder­nisse aus dem Weg räumen und Handlungsspiel­räume schaffen
  • Kurz­fris­tige Ziele und Erfolge aufzeigen
  • Verän­de­rungen weiter voran­treiben (nicht nach­lassen!)
  • Für Nach­hal­tig­keit sorgen: erreichte Verän­de­rungen in der Unter­neh­mens­kultur veran­kern

Während die ersten drei Phasen dazu dienen, ein Klima für den Wandel zu schaffen, geht es in den darauf­fol­genden drei darum, das Unter­nehmen bezie­hungs­weise die Mitar­beiter mit dem Wandel zu beauf­tragen und dafür zu befä­higen. Die letzten beiden Phasen dienen der Umset­zung und der Festi­gung der neuen Kultur.

Im Unter­schied zu älteren Change-Manage­ment-Modellen berück­sich­tigt das Modell von Kotter, dass es in den meisten Unter­nehmen kaum noch eine abschlie­ßende Phase gibt, in der die Verän­de­rungen verfes­tigt werden. Viel­mehr befinden sich Unter­nehmen heut­zu­tage in dauer­haften Verän­de­rungs­pro­zessen. Hinzu kommt, dass Verän­de­rungs­pro­zesse immer seltener in der gesamten Orga­ni­sa­tion statt­finden, sondern die Teil­be­reiche von Unter­nehmen jeweils eigene Change-Manage­ment-Prozesse durch­laufen. Die Folge sind immer klei­nere zeit­liche Abstände zwischen den einzelnen Change-Prozessen. Change-Manage­ment wird zum festen Teil der Unter­neh­mens­kultur und dient der Risi­ko­mi­ni­mie­rung.

Wie lässt sich die Unter­neh­mens­kultur nach­haltig verän­dern?

In der Orga­ni­sa­tions- und Unter­neh­mens­ent­wick­lung ist man schon seit Mitte der 1980er- Jahre der Ansicht, dass sich orga­ni­sa­tio­nale Struk­turen vor allem dann verbes­sern lassen, wenn man den psycho­so­zialen Prozessen zwischen Indi­vi­duen und Gruppen mehr Aufmerk­sam­keit schenkt und die Menschen selbst in die Ände­rungs­pro­zesse mitein­be­zieht. Das soge­nannte „personal growth move­ment“ sieht das Indi­vi­duum im Mittel­punkt und als Schlüs­sel­figur für echte, nach­hal­tige Verän­de­rungen in Orga­ni­sa­tionen. Nach dieser Vorstel­lung kann das Poten­zial einer Orga­ni­sa­tion, zu lernen und sich dadurch weiter­zu­ent­wi­ckeln, immer nur so groß sein wie das ihrer Mitglieder.

Ohne indi­vi­du­elles Lernen gibt es also keine lernende Orga­ni­sa­tion. Das heißt, es ist nicht so sehr die Orga­ni­sa­tion als Ganze, die Ziele für sich defi­nieren und anstreben muss. Statt­dessen sind es vor allem die Mitglieder, die die Fähig­keit entwi­ckeln müssen, eine persön­liche Vision zu verfolgen und konti­nu­ier­lich auf diese hinzu­ar­beiten. Das kann nur gelingen, wenn die einzelnen Mitar­beiter sich ihre Ziele immer aufs Neue vor Augen halten, diese mit der Realität abglei­chen und sich bewusst machen, wo sie sich im Verhältnis zum Ziel gerade befinden – und nicht in kontra­pro­duk­tiven Bezie­hungen verharren.

Die Entwick­lung persön­li­cher Visionen auf indi­vi­du­eller Ebene steht also im Vorder­grund: Wenn die Mitar­beiter nicht selbst moti­viert sind, sich den heraus­for­dernden Aufgaben des Wachs­tums und der tech­ni­schen Entwick­lung zu stellen, wird es einfach kein Wachstum geben – und damit auch keine Produk­ti­vi­täts­stei­ge­rung und keine tech­ni­sche Weiter­ent­wick­lung. Über­tragen auf die Verän­de­rungs­be­darfe im Bereich der Digi­ta­li­sie­rung bedeutet dies: Ohne die Grund­über­zeu­gung der Mitar­beiter vom Wert neuer digi­taler Lösungen werden diese auch nicht zu errei­chen sein.

Unter­nehmen in der Krise – Change- Manage­ment als Teil der unter­neh­mens­weiten Risi­ko­prä­ven­tion

Doch was sind Anlässe und Auslöser für das Initi­ieren von Change-Projekten in Orga­ni­sa­tionen? Verän­de­rungs­pro­zesse sind immer dann nötig, wenn das Unter­nehmen einen stra­te­gi­schen Wende­punkt erreicht. Dies kann beispiels­weise beim Eintritt in einen neuen Markt der Fall sein, wenn das Unter­nehmen plötz­lich starken Wett­be­werb erlebt. Auch wenn es um die Einspa­rung von Kosten oder die Einfüh­rung neuer Tech­no­lo­gien geht, stehen oft aufwen­dige Change-Prozesse an. Der Grund kann aber auch sein, dass das Unter­nehmen einen grund­le­genden Kultur- und Werte­wandel braucht – etwa wenn es um die Ansprache neuer Ziel­gruppen geht.

Ein weiteres sehr aktu­elles Beispiel ist die Corona-Krise, durch die der Druck zur Digi­ta­li­sie­rung für private wie öffent­liche Insti­tu­tionen immer dring­li­cher und sogar unver­meidbar wird. Dieser Verän­de­rungs­be­darf ist aller­dings nicht neu, es gibt ihn schon seit einigen Jahren. Offen­sicht­lich hatten viele Akteure aber bisher zu wenig Anreiz, um wirk­liche Verän­de­rungen anzu­stoßen – sei es bei Entwick­lungen im Home- office oder im Bereich des digi­talen Lernens.

Die Corona-Krise zeigt nun, wie schnell sich Dinge verän­dern können, wenn es keinen anderen Weg gibt. Anders formu­liert: Die Krise brachte den Druck, den es brauchte, um Verän­de­rungen umzu­setzen. In den letzten Monaten haben sich viele Unter­nehmen an die verän­derten Arbeits­be­din­gungen ange­passt und Möglich­keiten für das Home­of­fice sowie für Online-Konfe­renzen und -Präsen­ta­tionen geschaffen. Große Head­quarter-Büros werden vieler­orts obsolet, statt­dessen werden die Möglich­keiten zur Verlän­ge­rung ins Internet konse­quenter genutzt.

Wie man in der Krise aber auch beob­achten konnte, ist die Fähig­keit von Orga­ni­sa­tionen, Trends früh­zeitig zu erkennen, ange­messen zu inter­pre­tieren und proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, nach wie vor einge­schränkt. In vielen Unter­nehmen führte das dazu, dass schnelles Handeln als nicht dring­lich einge­stuft wurde und daher Entschei­dungen zu zöger­lich getroffen und Maßnahmen zu spät initi­iert wurden.

Um solche Fehler in der Wahr­neh­mung der Entschei­dungs­träger und der handelnden Akteure in Zukunft zu vermeiden, gilt es, größt­mög­liche Trans­pa­renz herzu­stellen. Denn Krisen- und Risi­ko­ma­nage­ment ist dann erfolg­reich, wenn alle Betrof­fenen möglichst umfas­send infor­miert werden und sich in das Geschehen einge­bunden fühlen.

Einweg­kom­mu­ni­ka­tion reicht dabei nicht aus. Gute Kommu­ni­ka­tion in der Krise bedeutet inten­sive Gespräche zwischen allen Inter­es­sen­gruppen sowie die Bereit­schaft aller Betei­ligten, sich auf andere Sicht­weisen einzu­lassen. Das liegt schon alleine daran, dass es in Unter­nehmen, wie in allen sozialen Systemen, viele unter­schied­liche Perspek­tiven und Inter­es­sen­lagen gibt. Nur selten sind sich Unter­nehmer, Führungs­kräfte und Mitar­beiter völlig einig, wenn es um das Anstoßen von Verän­de­rungen geht. Es gilt also, Visionen zu den wich­tigsten Frage­stel­lungen und Heraus­for­de­rungen zu entwi­ckeln, die von der Mehr­heit der Betei­ligten getragen werden. Die Entwick­lung einer gemein­samen Vision ist ein wesent­li­cher Schritt im Change-Manage­ment. Nur so wird eine breite Unter­stüt­zung und Akzep­tanz für notwen­dige und gege­be­nen­falls unat­trak­tive Maßnahmen erreicht.

Lernen aus der Krise – wie müssen Unter­nehmen zukünftig mit Verän­de­rungen umgehen?

Eine Krise (aus dem Grie­chi­schen für „Zuspit­zung″ oder „Entschei­dung“) markiert den Wende­punkt einer Entwick­lung. Sie zeigt auf, dass es so mit bestimmten Dingen nicht weiter­geht. Vor Corona und Home­of­fice fehlte Entschei­dungs­trä­gern sowie Mitar­bei­tern in Unter­nehmen oft die Einsicht oder der Grund, warum bestimmte digi­tale Lösungen ihnen konkret helfen könnten. Heute ist das vieler­orts anders und der Grund­stein für die Entwick­lung unter­neh­mens­weiter Change-Manage­ment-Prozesse ist gelegt. Voraus­set­zung für solche Verän­de­rungen ist jedoch der Mut zu einem radi­kalen Umdenken und eine konti­nu­ier­liche Refle­xion des Gesche­hens. Grund­sätz­liche Miss­stände müssen umfas­send aufge­ar­beitet werden und in Verän­de­rungen über­führt werden.

Um das zu errei­chen, müssen Unter­nehmen in der Lage sein, verschie­dene Perspek­tiven, Einschät­zungen und Beur­tei­lungen zuzu­lassen. Außerdem muss die Unter­neh­mens­kultur derart ausge­staltet sein, dass eine offene und wert­schät­zende Kommu­ni­ka­tion (auch über unan­ge­nehme) Themen möglich ist. Ein Prinzip, das hierfür nicht genug betont werden kann, ist Trans­pa­renz. Je trans­pa­renter die Führungs­etage mit den ihr zur Verfü­gung stehenden Infor­ma­tionen umgeht, umso eher können wich­tige Signale aus dem Unter­nehmen selbst, aber auch aus dem Unter­neh­mens­um­feld ange­messen inter­pre­tiert und disku­tiert werden. Das Ergebnis sind nach­voll­zieh­bare Entschei­dungen, die von der Mehr­heit der Betei­ligten getragen werden.

Wichtig für Unter­nehmen wird es in Zukunft sein, allen Mitar­bei­tern Raum zu geben, alter­na­tive Wege einzu­schlagen. Change-Manage­ment funk­tio­niert nur, wenn es genug Raum für Krea­ti­vität, Feed­back und Refle­xion und außerdem eine tole­rante Fehler­kultur gibt. Führungs­kräfte müssen lernen, Verant­wor­tung abzu­geben und die Poten­ziale ihrer Teams über Hier­ar­chie­ebenen hinweg zu akti­vieren. Viele Führungs­kräfte sind sich ihrer Verant­wor­tung für den Change-Prozess noch nicht bewusst und wissen nicht, dass nur die aktive Einbin­dung von Mitar­bei­tern bei Verän­de­rungen zum Erfolg führt. Einer der ersten Schritte des Change-Manage­ments in Unter­nehmen muss es also sein, die klas­si­sche Idee von Führung zu einer Rolle als Coach und Mentor zu wandeln.

Fazit

Digi­tale Technik ist in Zeiten von Corona in vielen Settings uner­läss­lich, um arbeits- und hand­lungs­fähig zu bleiben. Lock­down und Kontakt­verbot stellen deshalb für viele Unter­nehmen Beschleu­niger der digi­talen Trans­for­ma­tion dar. Die Krise bietet also die Chance, im Bereich Change-Manage­ment schneller ans Ziel zu kommen und Verän­de­rungs­be­mü­hungen zu reak­ti­vieren.

Unter­nehmen, die erfolg­reich Change-Manage­ment betreiben, unter­liegen einer stän­digen Trans­for­ma­tion, die aus externem Druck, aber auch aus einer inneren Entwick­lung hervor­geht. Dafür bedarf es bestimmter Stra­te­gien und Verän­de­rungs­me­cha­nismen – welche davon in welcher Form und an welchem Ort wirken oder nicht, lässt sich zurzeit welt­weit mitver­folgen. Die Corona-Krise ist – wie alle Krisen – ein Crash­kurs in Sachen Change-Manage­ment. An ihr lässt sich beob­achten, wie unter­schied­lich man mit Verän­de­rungen umgehen kann.

Wer Defi­zite im eigenen Unter­nehmen bemerkt – egal, ob es soziale oder wirt­schaft­liche sind – muss zeitnah handeln. Wer aus der Erfah­rung keine Konse­quenzen zieht und nicht erkennt, wie wichtig Reak­ti­ons­schnel­lig­keit in Zeiten der stän­digen Verän­de­rung ist, den trifft die nächste Krise noch heftiger.


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