Mediation: alle Interessen austarieren
Viele Streitigkeiten mit Geschäftspartnern oder Mitarbeitern landen vor Gericht. Das ist teuer, zeitaufwendig und nervenaufreibend. Oft könnten die Konfliktparteien auch gemeinsam mit einem neutralen Mittler eine zufriedenstellende Lösung finden.
Autor: Angelika KnopFür ihre neue Diagnosemethode benötigte die süddeutsche Uniklinik ein spezielles Gerät. Der Auftrag zur Herstellung ging im Rahmen einer Lizenzvereinbarung an einen kleinen Mittelständler. Die technische Zusammenarbeit lief gut, doch atmosphärisch gab es Störungen. Wurde das Produkt auf Messen und Kongressen präsentiert, fühlten sich die Forscher nicht ausreichend genannt und gewürdigt. Also entschied die Rechtsabteilung der Klinik, die unbefriedigende Geschäftsbeziehung nach dem Auslaufen der Lizenz nicht fortzusetzen. Das wäre jedoch für beide Seiten von Nachteil gewesen: Für den Hersteller stand die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel, die Uniklinik hätte viel Zeit und Geld in die Suche nach einem neuen Partner investieren müssen.
Konflikt einvernehmlich lösen In dieser schwierigen Situation wandte die Leiterin der Forschergruppe sich an die Mediatorin Beate Rau. „Ich sollte alle Beteiligten an einen Tisch bringen und ihnen helfen, den Konflikt einvernehmlich zu lösen – ohne Druck von außen und ohne Gerichtsverfahren“, erzählt die Inhaberin des Büros für Konzeption und Kommunikation in Tübingen. Einer Mediation müssen alle Parteien zustimmen, sie ist ergebnisoffen, vertraulich und klar strukturiert: Als ihr Auftrag geklärt war, ließ sich Beate Rau die Streitpunkte und Anliegen beider Seiten darlegen. Danach erkundete sie die Interessen und Hintergründe: „Alle verstanden schnell, dass das Kernproblem die Kränkung war und die Sache eskalierte, weil man nicht miteinander geredet hatte.“ Nach dieser Erkenntnis diskutierten die Konfliktpartner mögliche Lösungen und einigten sich schließlich auf eine schriftliche Vereinbarung. Die fixierte nicht nur, wer welchen Anteil an der öffentlichen Darstellung hat, sondern auch, wie man sich künftig regelmäßig per Mail, am Telefon oder bei Treffen verständigt. Nach drei mehrstündigen Gesprächsrunden innerhalb von sechs Wochen wurde die Lizenz verlängert. „Das war intensiv, aber gemessen an dem, was auf dem Spiel stand, sehr effizient“, meint Beate Rau.
Wer mit einer Mediation startet, sobald erste Probleme erkennbar sind, spart viel Ärger, Zeit und Geld. Schon bevor Konflikte offen ausbrechen, kosten sie Kraft, Mitarbeiter und Aufträge. Der Wirtschaftsverband „Unternehmerschaft Düsseldorf und Umgebung“ hat Beispielfälle berechnet. Er kam etwa auf jährlich 66.000 Euro, die es einen Viermannbetrieb kostet, wenn der Chef sich nicht ans Ordnungs- und Ablagesystem hält. Das verursacht Zusatzarbeit, nimmt Zeit zur Auftragsakquise und demotiviert durch ständigen Frust. Landet ein Streit vor Gericht, hängen die Verfahrenskosten vom Streitwert ab. Bei 10.000 Euro muss man mit 2.000 bis 4.000 Euro rechnen, bei 100.000 Euro mit dem Dreifachen – in erster Instanz und ohne Gutachten oder Spesen. Wird ein Mediator eingeschaltet, lassen sich Probleme mit wenigen Treffen für einen Tagessatz zwischen 1.250 und 2.250 Euro lösen.
Gemeinsam Alternativen finden „Mediation dauert nicht annähernd so lange wie ein Prozess, ist viel günstiger und im Ergebnis oft für beide Parteien besser“, sagt Stella Hoepner-Fillies, Baumediatorin im brandenburgischen Falkensee. Trotzdem landet jedes dritte bis fünfte Bauverfahren vor Gericht und endet mit einem für beide Seiten unbefriedigenden Vergleich. „Eine Mediation vorzuschlagen, wird im Bau oft als Zeichen von Schwäche gesehen“, so die Diplom-Ingenieurin. „Aber das ist ein Irrtum. Der Klügere gibt nicht nach, er verhandelt selbst.“ Mediatoren fällen keinen Schiedsspruch, sie führen durchs Verfahren und sind jeder Partei gleichermaßen verpflichtet. „Wenn wir die Interessen ermitteln, steht oft am Flipchart rechts und links dasselbe. Und plötzlich versteht man, dass auch der andere den Ruf wahren und sein Geld bekommen möchte.“
Wieder mit mehr Spaß arbeiten So erarbeiten die Parteien selbst Vorschlägen und Lösungen – und die können dabei ziemlich kreativ werden. Statt Geld gibt oder nimmt man dann etwa Aufträge, Land oder Bauholz, eventuell auch im Tausch. Man treibt den Partner nicht in die Insolvenz, sondern setzt die Geschäftsbeziehung fort. „Oft lachen sie bei der Mediation zum ersten Mal wieder miteinander“, freut sich Stella Hoepner-Fillies.
Mehr Freude an der Arbeit hat jetzt auch Ralf Glowatzki, Gesellschafter und Geschäftsführer der Union Bau- und Verkehrstechnik GmbH in Gelsenkirchen. Seit 30 Jahren ist er im Bau tätig. „25 Jahre davon habe ich mit harten Bandagen gekämpft, aber es hat mich nicht zufriedener gemacht“, sagt er. Also absolvierte er eine Ausbildung zum Mediator und wendet die Prinzipien in der eigenen Firma an: zuhören und gemeinsam Lösungen finden. Seine acht Mitarbeiter scheinen das zu schätzen. Krankenstand und Unfallrate sind niedrig, der Bauleiter eines Auftraggebers hat ihm mal gesagt: „Ich fahre gerne auf Ihre Baustellen, weil die Mitarbeiter offen und freundlich sind.“ Bauherren schickt Ralf Glowatzki nicht wie branchenüblich Nachtragsforderungen mit der Drohung, dass die Arbeiten erst nach Auftragserteilung weitergehen. Sondern er stellt die offene Frage: Was sollen wir tun, damit wir Ihr Bauziel erreichen? So ist er mindestens ebenso erfolgreich wie früher – aber er und seine Kunden fühlen sich besser.
Mit Mediation lassen sich viele Streitigkeiten lösen, innerhalb eines Betriebs und auch zwischen Unternehmen und ihren Auftraggebern. Über diese Alternative sollte man jedoch möglichst früh nachdenken. „Leider kommt die Mediation oft erst sehr spät ins Spiel“, beobachtet Beate Rau, die häufig auch bei Teamkonflikten gerufen wird, immer wieder. „Und je mehr Schaden bis dahin entstanden ist, desto länger dauern die Aufräumarbeiten.“
Mediation
Das müssen Sie wissen
Qualifizierte Mediatoren findet man in den Verzeichnissen der Fachverbände BAFM, BM, BMWA, DGM oder DACH. Häufig besitzen sie Spezialkenntnisse in Branchen oder Rechtsgebieten. Auch viele Anwälte oder Steuerberater haben eine Zusatzausbildung zum Mediator absolviert und können entsprechend für ihre Mandanten tätig werden. Die Stundensätze für Wirtschaftsmediation liegen zwischen 150 und 400 Euro. Wer Bedenken hat, dass er sich durch die Mediation schlechterstellt als vor Gericht, kann sich zusätzlich von einem Anwalt juristisch beraten und vor Abschluss eine Vereinbarung prüfen lassen. Wichtig: Ein Berater darf nicht in der gleichen Sache als Mediator tätig werden.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 04/2014