Tischmanieren: Das Handy bleibt unsichtbar
Verträge werden häufig bei einem Geschäftsessen ausgehandelt. Beherrscht jemand hier die Etikette, kann das die Stimmung des Gesprächspartners beeinflussen. Auch generell gilt: je höflicher und souveräner der Auftritt, desto besser der Eindruck.
Autor: Maria HoffmannKleine Gabeln, große Gabeln, spitze Messer, stumpfe Messer – beim Geschäftsessen das passende Besteck zu wählen, ist oft gar nicht so einfach. Oder das korrekte Glas für Rotwein, Weißwein, Wasser. Die wirkliche Herausforderung allerdings ist der Brotteller. Er steht immer links am Platz. Wer das nicht weiß, greift schon mal nach rechts – und damit beim Tischnachbarn zu. Lydia Morawietz hilft, solche Peinlichkeit zu vermeiden. Bei „Dinner & Etikette“, einem moderierten Abendessen, erklärt die Inhaberin von morawietz training & coaching in München ihren Kunden, wie man sich mit Stil begrüßt, benimmt und unterhält. „Einmal legte ausgerechnet der Chef der Teilnehmer gerade das Brot auf meinen Teller, als ich diesen Fauxpas beschrieb“, erzählt sie schmunzelnd. Das sorgte dann doch für Heiterkeit, obwohl es sich sonst natürlich nicht gehört, über seine Gäste zu lachen.
Businessetikette hat für Morawietz nichts mit Förmlich- oder Freudlosigkeit zu tun – weder im Seminar noch im Alltag. Immerhin rät sie Geschäftsleuten in ihrem Oktoberfest-Knigge, dort „alles etwas lockerer als sonst zu sehen“ und das Brathendl mit den Fingern zu essen. Quintessenz des guten Benehmens sind für sie immer und überall Wertschätzung und Freundlichkeit. Das schlage sich im Geschäftserfolg nieder. Seit 30 Jahren ist sie auch Geschäftsführerin des Business Centers BLM Büroservice in München und schult ihre Angestellten regelmäßig im guten Ton am Telefon sowie am Empfang: „Das hat sicher dazu beigetragen, dass uns unsere Mieter so lange treu bleiben, manche 20 Jahre.“
Benehmen kann man lernen Viele Firmenchefs wissen, dass das Auftreten wichtig sein kann, um Kunden zu gewinnen. Darum absolvieren sie Benimm-Seminare oder schicken Mitarbeiter dorthin, vor allem Auszubildende sowie junge Führungskräfte. Daniel Wischmann hat aus eigenem Antrieb auf eigene Kosten ein Einzeltraining gebucht. Der Projektmanager beim Automobilzulieferer Selectrona GmbH in Dippoldiswalde-Reinholdshain bei Dresden ist Ansprechpartner Nummer eins vieler Kunden und wäre ohne gute Umgangsformen nicht seit Jahren erfolgreich. Doch bei Geschäftsessen sah er oft, wie unterschiedlich Tischnachbarn schon Messer und Gabel nutzten. „Ich wollte genau wissen, wie man sich im Business benimmt, sozusagen die restlichen fünf Prozent“, erzählt er. „Man kann auch menschlich dazulernen, nicht nur fachlich.“
Unterrichten ließ er sich einen Tag lang von Sabine Schnelke, Beraterin für Unternehmenskultur und Umgangsformen in Potsdam. Beim gemeinsamen Mittagessen lernte er unter anderem, wie man den Suppenlöffel im Bogen erst von sich weg und dann zum Mund führt, damit Tropfen im Teller landen statt auf dem Tisch oder im Schoß. „Das Training hat mein Benehmen nicht wesentlich verändert, mir aber den letzten Schliff gegeben und mich sicherer gemacht“, so Wischmann. Seinem Ansehen war es auch nicht abträglich. Kollegen und Vorgesetzte haben sehr interessiert nachgefragt. Das Zertifikat liegt jetzt als Weiterbildungsnachweis bei den Personalunterlagen.
Gutes Benehmen lässt sich also lernen und Übung macht auch hier den Meister. „Wenn ich erst nachdenken muss, was zu tun ist, ist die Gelegenheit oft vorbei“, sagt Sabine Schnelke. Für erste Versuche eignet sich ein Kurs oder das Zuhause, nicht die Öffentlichkeit. Darum empfiehlt die Benimmberaterin, im Restaurant ein Gericht zu wählen, das man beherrscht – also ohne Routine im Umgang damit nicht gerade den Hummer oder die langen Spaghetti. Denn das Auge isst bekanntlich mit, auch beim Gegenüber. Und wenn doch einmal etwas Unbekanntes auf den Tisch kommt? „Dann kann ich das Servicepersonal um Hilfe bitten“, sagt Schnelke. „Man gesteht besser ein, etwas nicht zu wissen oder zu können, als verkrampft dazusitzen.
Wichtiger als eine korrekte Besteckhaltung findet sie ohnehin, sich auf den Geschäftspartner zu konzentrieren: „Wer sein Handy auf den Tisch legt, zeigt: Ein Anruf ist mir wichtiger.“ Außerdem hält es die Expertin für entscheidend, Gespräche in Gang zu halten. „Es reicht nicht, bereitwillig auf Fragen zu antworten“, warnt Schnelke. „Erst mit Gegenfragen zeigen Sie Interesse und Wertschätzung.“ Ob und wann aus dem Small ein Business Talk wird, hängt dabei wesentlich vom Anlass des Treffens ab. Beim Arbeitsessen geht es automatisch um gemeinsame Aufgaben, beim allgemeinen Geschäftsessen eher um die soziale Bindung. Deshalb sollte hier abgewartet werden, ob der Gastgeber geschäftliche Belange anspricht.
Aber auch Charme ist wichtig Wer sich in jeder Situation zu benehmen weiß, sollte mit gutem Beispiel vorangehen, andere aber nicht öffentlich korrigieren. In diesem Sinne wollte auch Lydia Morawietz beim moderierten Abendessen eigentlich über den Fauxpas ihres Tischnachbarn hinweggehen und einen neuen Brotteller bestellen. Dazu kam sie aber gar nicht, denn der Teilnehmer sagte freundlich: „Sehen Sie, ich habe den Teller schon wieder für Sie sauber gemacht.“ Dem Knigge entsprach das zwar nicht, aber dafür einer anderen Regel von Lydia Morawietz: „Wenn ich etwas charmant und herzlich tue, wird mir keiner übelnehmen, wenn ich es falsch gemacht habe.“
ETIKETTE
Zum Geschäftsessen mit Stil gehört gutes Benehmen
VORBEREITUNG: In vielen Betrieben gibt es klare Verhaltensregeln, oft in Form einer Compliance-Richtlinie. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner, ob und wenn ja in welchem Rahmen er eine Einladung zum Essen akzeptieren darf.
RESTAURANT: Mittags trägt man branchenübliche Businesskleidung, abends dem Anlass und Ort angemessene. Das Restaurant betritt der Gastgeber zuerst, innen folgt er dem Gast, wenn das Servicepersonal zum Tisch führt.
BEGRÜSSUNG: Ankommende grüßen Anwesende nach Rangfolge, bei Gleichrangigen nach Dienstalter. Kunden haben Vorrang. Bei der Vorstellung erfährt erst der Ranghöhere, wer ein ihm Unbekannter ist. Er entscheidet dann, ob er die Hand reicht. Der ideale Händedruck ist kurz, fest, mit einem freundlichen Blick in die Augen des Gegenübers. Sitzen die Anwesenden, grüßen Nachzügler nur in die Runde, denn Händeschütteln nötigt zum Aufstehen.
BESTELLUNG: Gastgeber führen durch die Karte und bestimmen mit ihrer Bestellung den preislichen Rahmen. Alkohol darf man ablehnen und sollte man immer sparsam konsumieren.
BENEHMEN: Angestoßen wird auf Abschlüsse und im Bierzelt, sonst reicht Zuprosten. Unüblich sind „Guten Appetit“ oder „Mahlzeit“. Handys und Handtaschen gehören nicht auf den Tisch, die Serviette gehört auf den Schoß. Beim Aufstehen wird sie neben dem Teller so zusammengelegt, dass man die Spuren des Abtupfens nicht sieht. Bei mehreren Gängen wird Besteck von außen nach innen benutzt.
THEMEN: Außer bei Arbeitsessen werden Geschäfte nicht vor dem Dessert angesprochen, es sei denn, der Gastgeber beginnt damit.
RECHNUNG: Der Gastgeber zahlt diskret, am besten vom Tisch entfernt.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 04/2014