Tachografenpflicht – verzerrte Wahrnehmung
In vielen Betrieben verursachen digitale Fahrtenschreiber seit einigen Jahren hohe Kosten. Trotzdem will das Europaparlament den Einsatz der Geräte in den Transportern von noch mehr kleinen und mittleren Unternehmen vorschreiben.
Autor: Monika Hofmann
„Bürokratieabbau sieht anders aus“, schimpft Walter Schmitt. Der Inhaber des Elektrobetriebs TV Schmitt Elektronics in Oberschleißheim bei München mahnt die EU, sich auf ihr ursprüngliches Ziel zu besinnen – und den Dschungel aus Regeln und Vorgaben zu lichten. Die Europaparlamentarier aber planen mit der Verschärfung der Tachografenpflicht gerade das Gegenteil. Wenn es nach ihnen geht, müssen Fahrzeuge schon ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 Tonnen statt bisher 3,5 Tonnen mit digitalen Tachografen ausgerüstet werden. „Das würde viele Handwerksbetriebe in die Bredouille bringen, denn die meisten nutzen Transporter dieser Gewichtsklasse“, fürchtet Schmitt.
Viel Mehrarbeit befürchtet. Firmenchefs, die in neue Fahrzeuge investieren wollen, sollten darum unbedingt die Frage klären, ob sie den digitalen Tachografen brauchen. Der erhöht nicht nur den Kaufpreis um rund 500 Euro, sondern erfordert auch eine regelmäßige Datenpflege. Daher erwartet Schmitt einen hohen monatlichen Mehraufwand. „Die im digitalen Tachografen gespeicherten Daten müssen kontinuierlich ausgelesen und elektronisch archiviert werden“, so der Firmenchef. „Zudem braucht jeder Fahrer und jeder Unternehmer spezifische Karten: In den Betrieben wuchert damit der bürokratische Aufwand munter weiter.“
Für welche Fahrzeuge ist nach aktueller Rechtslage der digitale Tachograf bereits Pflicht? „Seit 2006 haben Unternehmer alle neuen gewerblich genutzten Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen mit einem digitalen Fahrtenschreiber auszurüsten“, erläutert Frank-Peter Gentze, Leiter des Referats Sozialpolitik und Berufsbildung des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt am Main. „Egal, ob sie diese im Fern- oder nur im Nahverkehr einsetzen.“ In Fahrzeugen, die damals schon zum Flottenbestand zählten, reichen analoge Fahrtenschreiber. Für kleine und mittlere Betriebe wird das schnell zu einem Kraftakt, weil sie neben dem Kontrollgerät sowie den Fahrer- und Unternehmerkarten auch noch entsprechende Lesegeräte und Software brauchen sowie klare Vorgaben einhalten müssen (siehe Kasten). Zwar lassen sich die Daten zum Flottenmanagement nutzen. „Doch das ist eher für größere Transportfirmen interessant, die anderen müssen viel Aufwand betreiben, ohne davon zu profitieren“, so Frank-Peter Gentze. Die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten sei einfacher zu erreichen, so der Experte. „Zumal Manipulationen auch beim digitalen Tachografen möglich sind, die aber weniger Spuren hinterlassen als bei analogen Täuschungsmanövern.“
Ausnahmen könnten fallen. Für Betriebe vor allem im Handwerk gelten bislang Ausnahmen: Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 7,5 Tonnen, die in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Standort des Unternehmens für bestimmte berufliche Tätigkeiten genutzt werden, sind von der digitalen Tachografenpflicht befreit, sagt Horst Roitsch vom Bundesamt für Güterkraftverkehr (BAG) in Köln. „Dazu zählen vor allem Fahrzeuge, mit denen der Fahrer Material, Ausrüstungen oder Maschinen transportiert, die er für seine Tätigkeit benötigt, oder Fahrzeuge, die eine bestimmte, besondere Ausstattung haben, etwa als Verkaufswagen auf Märkten.“ Grundvoraussetzung ist, dass das Lenken des Fahrzeugs nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellt, betont der Experte.
Unendlicher Feldversuch. Der Anteil an Fahrzeugen mit digitalem Kontrollgerät bei deutschen Unternehmen beträgt gut 70 Prozent. „Der digitale Tachograf hat sich bewährt“, meint Roitsch. Zwar ist es zeitaufwendiger als beim analogen Kontrollgerät, die Daten aus dem Massenspeicher sowie der Fahrerkarte zu prüfen und zu analysieren. Doch dafür lassen sich Lenk- und Ruhezeiten exakt auswerten. „Das regelmäßige Herunterladen der Daten und Aufbewahren war anfangs sicher mit zusätzlichem Aufwand verbunden“, so Roitsch. Da diese Vorgänge aber elektronisch erfolgten, dürfte sich dieser Mehraufwand im Rahmen halten, wenn ein entsprechendes System etabliert ist.
Dass die neuen Geräte sicherer werden, Fernabfragen ermöglichen und sich leichter ins betriebliche Management integrieren lassen, wünscht sich der EU-Verkehrsministerrat. Er diskutiert jetzt, wie die nächste Generation des digitalen Tachografen aussehen könnte. BGL-Experte Gentze befürchtet allerdings, dass dabei erneut die Bedürfnisse der kleineren Firmen nach einer einfachen und zuverlässigen Technik ignoriert werden. „Das war auch schon bei Einführung der digitalen Technik so“, kritisiert er. „Die EU hat einen Feldversuch gestartet, der noch bis heute läuft – auf dem Rücken der kleinen und mittleren Unternehmen.“
KOMPLEXES SYSTEM IM FÜHRERSTAND
Aus diesen fünf Bausteinen besteht der digitale Tachograf
Kontrollgerät: Damit lassen sich die Lenk- und Ruhezeiten für 365 Tage aufzeichnen, speichern und auslesen sowie die Geschwindigkeitsdaten der vergangenen 24 Stunden nachvollziehen.
Fahrerkarte: Sie speichert Fahreraktivitäten, Ereignisse und Störungen. Die personenbezogene Karte kann der Fahrer nur einmal beantragen. Sie gilt fünf Jahre und kostet rund 40 Euro.
Unternehmenskarte: Sie ermöglicht es, Daten auszulesen. Alle 28 Tage muss der Firmenchef die Daten der Fahrerkarte und des Massenspeichers archivieren. Sie lassen sich zum Flottenmanagement nutzen. Die Karte gilt fünf Jahre, sie kostet rund 40 Euro.
Werkstattkarte: Qualifizierte Werkstattfachkräfte erhalten sie für Einbau und Wartung digitaler Kontrollgeräte. Sie kostet je nach Land zwischen 31 und 52 Euro und gilt für ein Jahr.
Kontrollkarte: Damit können Polizisten sowie Mitarbeiter von Gewerbeaufsicht oder Bundesamt für Güterverkehr (BAG) die gespeicherten Daten auslesen und überprüfen.
Informationen: Mehr zum Thema finden Sie unter www.bag.bund.de und www.kba.de.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 03/2013