Selbstständige in der Rentenversicherung
Selbstständige können in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sein oder sich auf Antrag versichern. Nur wenige Selbstständige ohne Angestellte zahlen z. B. Beiträge zur Rentenversicherung. Häufig besteht jedoch Versicherungspflicht.
Eine verstärkt auftretende Folge ist, dass sich erhebliche Beitragsrückstande aufbauen können. Zu beachten ist hier insbesondere die 4-jährige Verjährungsfrist. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Versicherungspflicht Selbstständiger in der Rentenversicherung.
Bestehen einer Versicherungspflicht. Die Rentenversicherung kann auf Versicherungspflicht kraft gesetzlicher Bestimmung oder auf Versicherungsberechtigung auf- Grund eigener Entscheidung mit dem Ziel des freiwilligen Beitritts oder der freiwilligen Fortsetzung der Versicherung beruhen.
Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ist die durch Gesetz angeordnete Versicherung. Sie tritt beim Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne Rücksicht auf den Willen des Einzelnen ein (öffentlich-rechtliche Zwangsversicherung) und besteht so lange fort, wie die im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegen. Zudem ist auch die Begründung einer Pflichtversicherung auf Antrag möglich.
Pflichtversicherte Personen. § 2 Abs. 2 SGB IV nennt die Personen, die in allen Zweigen der Sozialversicherung pflichtversichert sind. Umfasst sind insbesondere Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Ob jedoch im Einzelfall tatsächlich Versicherungspflicht besteht oder ob ggf. Versicherungsfreiheit oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegt, ist nach den besonderen Normen für die einzelnen Versicherungszweige zu beurteilen.
Definition einer Beschäftigung. Nach der gesetzlichen Definition wird die Beschäftigung als die nicht selbstständige Arbeit beschrieben. Sie wird damit vom gegensätzlichen Grundbegriff der selbstständigen Tätigkeit abgegrenzt.
Der Gesetzgeber definiert Beschäftigung als nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Es bleibt jedoch offen, aufgrund welcher Kriterien die Arbeit als nicht selbstständig oder selbstständig zu beurteilen ist. Nach der amtlichen Begründung liegt ein Beschäftigungsverhältnis immer dann vor, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht; andererseits kann in Einzelfällen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch ohne Arbeitsverhältnis vorliegen.
Die Beschäftigten-/Arbeitnehmerstellung wird insbesondere durch die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber infolge Eingliederung in dessen Wirtschaftsbetrieb gekennzeichnet. Als ein Anhaltspunkt dient z. B. die Weisungsgebundenheit der Erwerbsperson und ihre betriebliche Eingliederung als typische Merkmale einer Beschäftigung. Häufigstes Indiz für die Eingliederung ist das auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung bezogene Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit sind im Einzelfall alle Merkmale zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, die für bzw. gegen die Beschäftigten-/Arbeitnehmereigenschaft sprechen. Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung.
Die vertragliche Ausgestaltung kann bedeutsam sein, tritt jedoch zurück, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von ihr abweichen. Somit sind für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses letztlich nicht die rechtlichen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem Beschäftigten und seinem Arbeitgeber maßgebend. Der Bezeichnung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag kommt hier nur untergeordnete Bedeutung zu, zumal sehr oft falsche oder ungenaue Bezeichnungen gewählt werden.
Wesentliche Merkmale. Von der Rechtsprechung wurden zur Beurteilung von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet: Zum einen handelt es sich um die persönliche Abhängigkeit und zum anderen um die Weisungsgebundenheit.
Eine persönliche Abhängigkeit ist vielmehr bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine Tätigkeit gilt als weisungsgebunden, wenn sie in ihrer gesamten Durchführung vom Weisungsberechtigten bestimmt werden kann.
Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit. Neben der Herausarbeitung der wesentlichen Merkmale des Beschäftigungsbegriffs hat die Rechtsprechung auch versucht, den Begriff der Beschäftigung durch die Abgrenzung vom Gegenbegriff, der selbstständigen Tätigkeit, zu konkretisieren. Die selbstständige Tätigkeit ist gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit.
Ein Unternehmerrisiko als Indiz für die Selbstständigkeit liegt vor, wenn der Erfolg eines eigenen wirtschaftlichen Einsatzes ungewiss ist. Das Unternehmerrisiko als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit hat entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der Frage, inwieweit mitarbeitende Gesellschafter in Personen- und Kapitalgesellschaften als selbstständig Tätige oder abhängig Beschäftigte zu beurteilen sind.
Mitarbeitende Gesellschafter nehmen im Allgemeinen eine Doppelstellung ein. Als Gesellschafter sind sie Mitunternehmer der Gesellschaft und als Mitarbeiter stehen sie in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Dienstleistende an der Gesellschaft, für die er arbeitet, kapitalmäßig beteiligt ist.
Es liegt aber nicht vor, wenn der mitarbeitende Gesellschafter persönlich unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet (Komplementäre einer KG, BGB/OHG-Gesellschaft) oder nur nach dem Gesellschaftsvertrag zur Mitarbeit berechtigt und verpflichtet ist (Kommanditisten einer KG) oder die Geschicke der Gesellschaft maßgebend beeinflussen, insbesondere Beschlüsse zuungunsten seines Mitarbeitsverhältnisses verhindern kann (GmbH-Gesellschafter, Aktionäre einer AG, Kommanditist einer KG) oder für seine Mitarbeit nur einen höheren Gewinnanteil oder eine vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft abhängige Vergütung erhält.
Ob danach im Einzelfall ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis auszuschließen ist, ist anhand des Gesellschaftsvertrages, der Satzung der Gesellschaft und der für die betreffende Gesellschaftsform maßgebenden gesetzlichen Vorschriften sowie ggf. anhand des Anstellungsvertrages zu prüfen.
Pflichtversicherung von Selbstständigen. Pflichtversichert sind in der Regel Handwerker oder Hausgewerbetreibende, Lehrer (Verdienst mehr als 450 Euro monatlich; dazu gehören auch selbstständige Coaches, Trainer und Moderatoren), Hebammen oder Pflegepersonen (Physiotherapeut usw.), Künstler, freie Journalisten oder Publizisten, Selbstständige mit einem Auftraggeber sowie Seelotsen, Küstenschiffer und -fischer.
Umfasst sind auch Erzieher, wenn ihre Tätigkeit auf die Charakterschulung und Persönlichkeitsbildung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist. Neben Erziehern in Kindergärten oder Horten sind auch Tagesmütter versicherungspflichtig.
Abgrenzung Scheinselbstständigkeit und der arbeitnehmerähnliche Selbstständige. Ein in der Praxis viel beachtetes und bedeutsames Thema stellt die Scheinselbstständigkeit dar. Als Scheinselbstständige bezeichnet man Personen, die formell als Selbstständige oder freie Mitarbeiter bezeichnet werden, aber nach der tatsächlichen Gestaltung ihrer Tätigkeit als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer Leistungen erbringen. Deutlich weniger Beachtung finden jedoch die arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Dies ist bemerkenswert, da hier erhebliche Risiken bestehen. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige sind echte Selbstständige, sie unterliegen aber der Rentenversicherungspflicht. Die Abgrenzung dieser Personengruppen gestaltet sich häufig schwierig:
Die Scheinselbstständigkeit. Eine Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn jemand nach der zugrunde liegenden Vertragsgestaltung selbstständige Dienst- oder Werksleistungen für ein fremdes Unternehmen erbringt, tatsächlich aber nicht selbstständige Arbeiten in einem Arbeitsverhältnis leistet.
Bei der Beurteilung des Status steht als Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit der Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen, unternehmerische Chancen wahrgenommen und hierfür beispielsweise Eigenwerbung betrieben wird. Als typische Merkmale einer Selbstständigkeit gelten ferner die eigenständige Entscheidung über Einkaufs- und Verkaufspreise bzw. den Warenbezug, Personelle Fragen (Einstellung, Entlassung), die Entscheidung über Einkaufs- und Verkaufskonditionen sowie die eigene Kundenakquisition.
Grundsätzlich tritt bei Feststellung der Scheinselbstständigkeit die Sozialversicherungspflicht mit Aufnahme der Tätigkeit ein. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die ausstehenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung rückwirkend bis zu vier Jahre zu bezahlen. Eventuell sind noch strafrechtliche Folgen zu erwarten.
Arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige sind solche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.
Diese Voraussetzung ist nach einer Faustregel erfüllt, wenn 5/6 des Umsatzes über einen Auftraggeber generiert werden. Die rentenversicherungspflichtigen, arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen tragen ihre Beiträge zur Rentenversicherung in voller Höhe selbst. Hier besteht häufig das Risiko erheblicher Nachzahlungen, weil zunächst keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt wurden.
Arbeitnehmerähnliche Selbstständige haben sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden.