6. Dezember 2012

Mitar­bei­ter­ge­spräch: Anschreien führt kaum zum Ziel

Der offene Austausch mit den Beschäf­tigten ist ein wich­tiges Führungs­in­stru­ment. Wer sich dafür regel­mäßig Zeit nimmt, löst viele Konflikte bereits im Vorfeld und kann so das Poten­zial seiner Mitar­beiter optimal nutzen.

Autor: Pia WeberMan stelle sich vor, ein Mann kommt abends nach Hause. Seine wütende Ehefrau empfängt ihn mit den Worten: „Jahre­lang habe ich mir ansehen müssen, wie du deine Socken überall rumliegen lässt. Aber jetzt reicht es mir. Ich gehe morgen zum Schei­dungs­an­walt.“ Die Vorstel­lung von einem derart unver­mit­telten und endgül­tigen Bruch klingt natür­lich absurd. Genau daher nutzt Wilfried Braig das Beispiel. Der Experte für Perso­nal­themen, der in Führungs­po­si­tionen in verschie­denen Indus­trie­be­trieben seine Erfah­rungen gemacht hat, will so verdeut­li­chen, wie mangelnde Kommu­ni­ka­tion im ungüns­tigsten Falle ausgeht: „Im opera­tiven Geschäft reden die Chefs zwar mit ihren Leuten, geben Anwei­sungen oder korri­gieren etwas.“ Das sei aber nicht zu verwech­seln mit einem syste­ma­ti­schen Mitar­bei­ter­ge­spräch, für das ein Termin anbe­raumt und genug Zeit einge­plant werden muss. „Nur dabei können grund­sätz­liche Einschät­zungen, Stra­te­gien oder eben auch Fehl­ent­wick­lungen in Ruhe erör­tert werden.“

Oft genug zusam­men­setzen. Gut vorbe­rei­tete und intel­li­gent geführte Mitar­bei­ter­ge­spräche sind deshalb wichtig, weil die deut­sche Wirt­schaft so hoch entwi­ckelt ist. Die Orga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­login Brigitte Winkler betrachtet diese inten­sive Art der Kommu­ni­ka­tion mit den Beschäf­tigten als stra­te­gi­sches Führungs­in­stru­ment, da sich viele Mitar­beiter immer mehr zu Experten auf ihrem Gebiet entwi­ckelten. Deren Arbeits­leis­tung könnten Vorge­setzte oft gar nicht mehr ganz über­bli­cken. „Darum ist es wichtig, dass in gezielten Gesprä­chen zu errei­chende Ziele, sich ändernde Faktoren und zu erwar­tende Ergeb­nisse bespro­chen werden“, sagt Brigitte Winkler. Nur so sei für alle im Betrieb ein koor­di­niertes Agieren möglich und Hand­lungs­si­cher­heit gegeben.

Bei der Adlon Daten­ver­ar­bei­tung Systems GmbH in Ravens­burg mit rund 70 Mitar­bei­tern müssen die Team­leiter deshalb zweimal jähr­lich Mitar­bei­ter­ge­spräche führen. „Wollen wir uns mal in aller Ruhe zusam­men­setzen?“ ist bei dem IT-System­haus keine Frage, die Ärger signa­li­siert. Im Gegen­teil. „Regel­mä­ßige Mitar­bei­ter­ge­spräche drücken eine Wert­schät­zung gegen­über der Beleg­schaft aus und sind eine sichere Methode, um mögliche Fehl­ent­wick­lungen recht­zeitig zu korri­gieren“, ist Geschäfts­führer Andreas Rich­stätter sicher. Die Themen bei so einem Austausch sind breit gefä­chert und reichen von der Aufga­ben­ver­tei­lung inner­halb einer Arbeits­gruppe über die Wünsche nach einer neuen Aufgabe bis zum indi­vi­du­ellen Quali­fi­ka­ti­ons­be­darf. Einmal im Jahr steht auch das Gehalt auf der Agenda. „Wir warten gerade bei diesem sensi­blen Thema nicht, bis viel­leicht Unmut aufkommt, sondern gehen es aktiv an“, erläu­tert der Unter­nehmer.

Gespräch gut struk­tu­rieren. Vor dem Termin füllen Mitar­beiter und Vorge­setzter einen stan­dar­di­sierten Bogen aus, der den Gesprächs­ver­lauf glie­dert. Es geht immer um eine Istana­lyse, die Zusam­men­ar­beit mit Kollegen und anderen Berei­chen oder Abtei­lungen und die Einschät­zung der eigenen Kompe­tenz. Sie bildet auch die Grund­lage für weitere Schritte zur Perso­nal­ent­wick­lung. Außerdem werden Ziele und das Thema Gehalt erör­tert. Anschlie­ßend fassen die Gesprächs­partner die Ergeb­nisse schrift­lich zusammen und beur­teilen das Gespräch. „Sicher kostet das Zeit“, sagt Rich­stätter. „Aber selbst bei emotio­nalen Themen kommt es dann eben nicht zum großen Knall, da wir schon vorher reagieren können.“ Über das Gehalt etwa wurde vor vier Jahren stark disku­tiert. „Wir haben deshalb eine Kien­baum-Gehalts­studie als objek­tiven Vergleichs­maß­stab heran­zogen, um unsere Mitar­beiter zu über­zeugen.“

Schnell über Lösungen reden. Der Firmen­chef selbst wird aktiv, wenn keine Eini­gung möglich scheint – etwa bei der Wahl des Dienst­wa­gens. Nicht jeder Mitar­beiter mag die infrage kommenden Marken. „Im persön­li­chen Gespräch verstehen sie aber, dass ich keine Ausnahme machen kann“, berichtet Rich­stätter. „Oft finden wir dann eine alter­na­tive Rege­lung.“ Auf Anraten des Steu­er­be­ra­ters bietet der Unter­nehmer etwa an, das gewünschte Auto selbst anzu­schaffen. Dann vermietet es der Betref­fende an die Firma, die es ihm als Geschäfts­wagen zur Verfü­gung stellt. „Spätes­tens mit diesem Vorschlag sind die Wogen geglättet und alle zufrieden“, erklärt Rich­stätter. Genau das zählt für den Unter­nehmer, um in einer Branche erfolg­reich zu bleiben, die schon lange unter Exper­ten­mangel leidet. Entschei­dend aber ist das Timing. „Je später man ein Problem anspricht, umso länger dauert die Besei­ti­gung“, weiß Experte Wilfried Braig. Jeder Vorge­setzte sollte die Eska­la­ti­ons­phasen kennen, in denen es Lösungs­an­sätze gibt. So hätte die wütende Ehefrau ihrem Mann in einem Moti­va­ti­ons­ge­spräch sagen können, dass sie das Socken­pro­blem stört. Sie hätte im Kritik­ge­spräch mit Nach­druck ihre Unzu­frie­den­heit erklären können. Und sie hätte im Konflikt­ge­spräch die Möglich­keit nutzen können, „Es reicht“ zu sagen. Das hätte ihr viel­leicht die Schei­dung erspart.

Quelle: TRIALOG, Das Unter­neh­mer­ma­gazin Ihrer Berater und der DATEV, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg, Ausgabe 03/2012