16. April 2012

Schein­selbst­stän­dig­keit und der arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dige

Ein in der Praxis viel beach­tetes und bedeut­sames Thema stellt die Schein­selbst­stän­dig­keit dar. Als Schein­selbst­stän­dige bezeichnet man Personen, die formell als Selbst­stän­dige oder freie Mitar­beiter bezeichnet werden, aber nach der tatsäch­li­chen Gestal­tung ihrer Tätig­keit als abhängig beschäf­tigte Arbeit­nehmer Leis­tungen erbringen. Deut­lich weniger Beach­tung finden jedoch die arbeit­neh­mer­ähn­li­chen Selbst­stän­digen. Dies ist bemer­kens­wert, da hier erheb­liche Risiken bestehen. Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dige sind echte Selbst­stän­dige, sie unter­liegen aber der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht. Dieser Artikel zeigt die Abgren­zung zwischen einer Schein­selbst­stän­dig­keit und den arbeit­neh­mer­ähn­li­chen Selbst­stän­digen auf und weist auf bestehende Risiken hin.

Eine Schein­selbst­stän­dig­keit liegt vor, wenn jemand nach der zugrunde liegenden Vertrags­ge­stal­tung selbst­stän­dige Dienst- oder Werks­leis­tungen für ein fremdes Unter­nehmen erbringt, tatsäch­lich aber nicht selbst­stän­dige Arbeiten in einem Arbeits­ver­hältnis leistet.

Bei der Beur­tei­lung des Status steht als Merkmal für eine selbst­stän­dige Tätig­keit der Grad der unter­neh­me­ri­schen Entschei­dungs­frei­heit und inwie­fern ein unter­neh­me­ri­sches Risiko getragen, unter­neh­me­ri­sche Chancen wahr­ge­nommen und hierfür beispiels­weise Eigen­wer­bung betrieben wird.

Als typi­sche Merk­male einer Selbst­stän­dig­keit gelten ferner die eigen­stän­dige Entschei­dung über Einkaufs- und Verkaufs­preise bzw. den Waren­bezug, perso­nelle Fragen (Einstel­lung, Entlas­sung), die Entschei­dung über Einkaufs- und Verkaufs­kon­di­tionen sowie die eigene Kunden­ak­qui­si­tion.

Anhalts­punkte einer Schein­selbst­stän­dig­keit. Bei der Beur­tei­lung der Gesamt­si­tua­tion sind die Punkte keine regel­mäßig Beschäf­tigten, Tätig­keit auf Dauer und im Wesent­li­chen nur für einen Auftrag­geber, der Auftrag­geber hat Beschäf­tigte, die dieselben Tätig­keiten verrichten wie der Selbst­stän­dige sowie die Weisungs­ge­bun­den­heit und Einglie­de­rung in die Arbeits­or­ga­ni­sa­tion des Auftrag­ge­bers von beson­derer Bedeu­tung und Anhalts­punkte für die Annahme einer Schein­selbst­stän­dig­keit.

Folgen der Fest­stel­lung einer Schein­selbst­stän­dig­keit. Grund­sätz­lich tritt bei Fest­stel­lung der Schein­selbst­stän­dig­keit die Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht mit Aufnahme der Tätig­keit ein. Der Auftrag­geber ist verpflichtet, die ausste­henden Arbeit­geber- und Arbeit­neh­mer­bei­träge zur Sozi­al­ver­si­che­rung rück­wir­kend bis zu vier Jahre zu bezahlen. Even­tuell sind noch straf­recht­liche Folgen zu erwarten.

Status­fest­stel­lungs­ver­fahren. Es besteht die Möglich­keit, ein Status­fest­stel­lungs­ver­fahren bei der Deut­schen Renten­ver­si­che­rung Bund durch­zu­führen, in dem rechts­si­cher geklärt werden könnte, ob eine Person sozi­al­ver­si­che­rungs­frei, sozi­al­ver­si­che­rungs­pflichtig oder renten­ver­si­che­rungs­pflichtig ist. Die Durch­füh­rung dieses Verfah­rens wird bei rele­vanten Sach­ver­halten drin­gend empfohlen.

Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dig­keit. Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dige sind solche Personen, die im Zusam­men­hang mit ihrer selbst­stän­digen Tätig­keit regel­mäßig keinen versi­che­rungs­pflich­tigen Arbeit­nehmer beschäf­tigen und die auf Dauer und im Wesent­li­chen nur für einen Auftrag­geber tätig sind. Diese Voraus­set­zung ist nach einer Faust­regel erfüllt, wenn 5/6 des Umsatzes über einen Auftrag­geber gene­riert werden. Die renten­ver­si­che­rungs­pflich­tigen, arbeit­neh­mer­ähn­li­chen Selbst­stän­digen tragen ihre Beiträge zur Renten­ver­si­che­rung in voller Höhe selbst. Hier besteht häufig das Risiko erheb­li­cher Nach­zah­lungen, weil zunächst keine Beiträge zur Renten­ver­si­che­rung abge­führt wurden. Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dige haben sich inner­halb von drei Monaten nach Aufnahme der selbst­stän­digen Tätig­keit beim zustän­digen Renten­ver­si­che­rungs­träger zu melden.

Befreiung von der Beitrags­pflicht zur Renten­ver­si­che­rung. Als Exis­tenz­gründer kann der Auftrag­nehmer aber für einen Zeit­raum von drei Jahren Befreiung von der Beitrags­pflicht erlangen. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befrei­ungs­vor­aus­set­zungen an, wenn sie inner­halb von drei Monaten bean­tragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Eine Befreiung ist eben­falls möglich, wenn der Antrag­steller das 58. Lebens­jahr voll­endet hat. Er wird voll­ständig von der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht befreit, wenn er bereits selbst­ständig war und die Versi­che­rungs­pflicht erst­malig aufgrund der Neure­ge­lung zur renten­ver­si­che­rungs­pflich­tigen Selbst­stän­dig­keit einge­treten ist. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befrei­ungs­vor­aus­set­zungen an, wenn sie inner­halb von drei Monaten bean­tragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.

Höhe der Beiträge zur Renten­ver­si­che­rung. Im Hinblick auf die Beitrags­höhe besteht ein Wahl­recht: Es kann entweder der Regel­bei­trag bezahlt werden (derzeit 508,45 EUR), anfangs auch der halbe Regel­bei­trag (Exis­tenz­gründer), ohne jähr­lich das Arbeits­ein­kommen nach­zu­weisen. Alter­nativ können auch einkom­mens­ab­hän­gige Beiträge bei Nach­weis des jewei­ligen Arbeits­ein­kom­mens (19,6 %, maximal 1.097,60 EUR) gezahlt werden.