So erwirken Unternehmer womöglich bald Steuernachlass
Sechs Prozent Zinsen verlangt der Fiskus bei Steuernachzahlungen – trotz Niedrigzinsphase. Jetzt hat der Bundesfinanzhof Veto eingelegt – ein gutes Argument für Einspruch gegen den Steuerbescheid.
Text: Midia Nuri
ch kenne eine Unternehmerin, die freut sich über jede zu hohe Vorauszahlung an den Fiskus. Sie überlässt ihr Geld gerne dem Finanzamt mit der Aussicht, eine stattliche Rückzahlung zu erhalten, inklusive eventuell anfallender Zinsen. Die Alternative ist nämlich, Steuern nachzuzahlen. Wer Liquidität parkt, kann aber gar keine Erträge mehr erwirtschaften, die die dann fälligen Zinsen decken. Seit Jahren verharren die Zinssätze im Dauertief. Der Euribor (Euro Interbank Offered Rate), zu dem sich die europäischen Banken untereinander Geld leihen, liegt seit langer Zeit im Minus. Einige Banken geben im Tagesgeldbereich bereits Negativzinsen an ihre Kunden weiter. Jedes vierte Kreditinstitut plane dies, zitiert die „Wirtschaftswoche“ Bundesbankvorstandsmitglied Andreas Dombret.
Bei Steuernachzahlungen sind sechs Prozent Zinsen fällig
Schlechte Zeiten für Sparer sind auch schlechte Zeiten für Unternehmer, die Rückstellungen für mögliche Steuernachzahlungen zur Seite legen wollen. Sie zahlen nämlich auf eine etwaige verspätete Forderung des Finanzamts zusätzlich sechs Prozent Zinsen pro Jahr – selbst wenn sie die Verzögerung nicht zu verantworten haben, da sich die Beamten mit der Bearbeitung einfach viel Zeit gelassen haben oder Nachzahlungen durch eine Betriebsprüfung fällig sind. Natürlich schütten die Finanzämter auch Zinsen auf eine Steuerrückerstattung aus, wenn es mal etwas länger dauert. Aber unter dem Strich spülen Zinsen dem Fiskus satte Milliardenbeträge in die Kassen. Wegen anhaltend niedriger Renditen am Anlagemarkt formiert sich deshalb seit Jahren Widerstand gegen den seit 1961 nicht mehr angepassten Zinssatz. Und nun legt auch der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals Veto ein.
BFH: Hoher Zinssatz verstößt gegen Gleichheitsgrundsatz
Nachdem der BFH kürzlich erst für das Jahr 2013 die Zinshöhe nicht bemängelt hatte, gab es nun in einem anderen Verfahren ein gewichtiges Votum dagegen, nämlich für Zeiträume zwischen 2015 und 2017. In einem Verfahren, das sich gegen die Höhe der von einem Finanzamt eingeforderten Nachzahlungszinsen richtete (Az.: IX B 21/18), setzten die Finanzrichter die Vollziehung des Zinsbescheids aus – und bekundeten damit verbunden „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts“. Ihre Begründung hat es in sich: Sie erklärten, es bestünden „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob die Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist.“ Auch die Wortwahl „einhalb“ statt 0,5 oder aber „ein halbes Prozent“ stammt wie die Zinshöhe wohl aus dem Jahr 1961, die Richter zitieren den Gesetzwortlaut. Zudem erklärten die obersten Finanzrichter: „Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe besteht bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht.“
Steuerberater sollte Einspruch gegen Steuerbescheid prüfen
Unternehmer, von denen der Fiskus in den vergangenen Jahren oder auch aktuell Nachzahlungszinsen eingefordert hat, sollten ihren Steuerberater fragen, ob ein Einspruch gegen die betreffenden Steuerbescheide möglich ist. Sind sie bestandskräftig, geht das natürlich nicht mehr – aber vielleicht laufen ja Einsprüche in anderen Punkten oder der Bescheid wurde vom Finanzamt aus anderen Gründen nur vorläufig erlassen. Dann ist oft auch später ein Einspruch möglich. Der kann sich im Fall der Zinsen sehr lohnen – unter Verweis auf das aktuelle Verfahren und vielleicht gleich auch noch eines der ebenfalls bereits gegen die Zinshöhe laufenden Musterverfahren, die der Bund der Steuerzahler für Mitglieder derzeit anstrengt. Die Nachfrage beim Steuerberater lohnt sich für jeden Unternehmer, der Nachzahlungszinsen gezahlt hat oder jetzt überweisen soll. Er kann so vielleicht, ohne selbst klagen zu müssen, viel Geld bei der Steuer sparen – oder bei einem günstigen Ausgang des Musterverfahrens zurückerstattet bekommen. Zahlen sollte er das Geld aber ruhig schon jetzt in Absprache mit seinem Steuerberater. Sind die Verfahren erst mal abgeschlossen und kann sich der Unternehmer tatsächlich über eine schöne Rückerstattung freuen, werden dann nämlich natürlich auch darauf wieder Zinsen fällig – zu seinen Gunsten.
Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an.
Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg