Neues von der Erbschaftsteuer
Die Erbschaftsteuer wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2009 reformiert (Erbschaftsteuerreform 2009). Das reformierte Gesetz war jedoch ebenfalls verfassungswidrig.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschriften waren zunächst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber musste bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Über den aktuellen Stand der Entwicklungen informiert dieser Artikel.
Unsicherheit über Besteuerungsfolgen
Ab dem 1. Juli 2016 herrschte Unsicherheit über die Besteuerungsfolgen: Die Übergangsfrist, dass bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen ist, ist abgelaufen. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Erbschaftsteuer wie bisher zu veran-lagen ist. Sie hat in einem koordinierten Ländererlass vom 21. Juni 2016 die Finanzämter angewiesen, die Erbschaftsteuer wie bisher zu veranlagen.
Am 24. Juni 2016 hat der Bundestag die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer beschlossen. Hiernach soll die Neuregelung rückwirkend für Erwerbsvorgänge ab dem 1.7.2016 zur Anwendung kommen. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Rück-wirkung wird jedoch schon jetzt diskutiert.
Nachdem der Bundesrat am 8. Juli 2016 den Vermittlungsausschuss angerufen hatte, hat dieser seine Beratungen auf Ende September 2016 vertagt. Innerhalb einer Pressemitteilung vom 14. Juli 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht sogar mitgeteilt, dass es sich nach Ablauf der gesetzten Frist zur Neu-regelung erneut mit der Erbschaftsteuer befassen wird. In der Pressemitteilung heißt es ausdrücklich:
Zwar gelten die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes fort. Da eine entsprechende Gesetzesänderung bis heute nicht vorliegt, hat der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, nunmehr mit Schreiben an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat vom 12. Juli 2016 mitgeteilt, dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen wird.
Bund und Länder haben sich schließlich doch auf einen Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer einigen können. Am 21.9.2016 wurde im Vermittlungsausschuss eine Einigung bezüglich der neuen Regeln zur steuerlichen Begünstigung von Firmenerben erzielt. Diese werden auch weiterhin vom Fiskus verschont, wenn sie das Unternehmen längere Zeit fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Dem Vorschlag müssen nun noch der Bundestag und der Bundesrat zustimmen.
Umstrittene Verschonungsregeln
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil insbesondere die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen als zu weitgehend betrachtet. Die umstrittenen Kernpunkte der Erbschaftsteuerreform beziehen sich nach den Agenturen dpa und Reuters insbesondere auf folgende Verschonungsregeln:
- Großvermögen: Ab Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall soll es eine „Bedürfnisprüfung“ geben. Der Erbe muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer finanziell überfordern würde. Unterhalb der Grenzen werden weiter Steuervorteile gewährt. Lässt sich der Erbe auf die Bedürfnisprüfung ein, muss er sein Privatvermögen offenlegen. Das kann zur Hälfte zur Besteuerung herangezogen werden.
- Stundung: Wird die Steuer aus dem Privatvermögen gezahlt, kann sie 10 Jahre lang zinslos gestundet werden.
- Abschmelzmodell: Soll das Privatvermögen privat bleiben, greift ein Abschlagsmodell: Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden.
- Familienunternehmen: Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung beziehungsweise Verfügungsbeschränkung – der Erbe kann nicht frei über Gewinne oder Verkäufe entscheiden – ist ein Steuerabschlag auf den Firmenwert geplant. Der darf maximal 30 % betragen.
- Kleinbetriebe: Bisher sind Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit. Künftig sollen nur Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern von der Nachweispflicht ausgenommen werden.
- Verwaltungsvermögen: Anders als Betriebsgrundstücke und Maschinen wird Verwaltungsvermögen besteuert und nicht „verschont“. 10 % des Verwaltungsvermögens bleiben pauschal steuerfrei. Begünstigt werden betriebliche Altersvorsorge oder verpachtete Grundstücke sowie Firmenbeteiligungen außerhalb der EU.
- Investitionsklausel: Mittel aus einem Erbe, die laut Testament innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod für Investitionen in das Unternehmen getätigt werden, sollen steuerrechtlich begünstigt werden.
- Steuertricks: Wenn das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen 90 % des Betriebsvermögens überschreitet, wird die Verschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgeschlossen.
- Unternehmenswert: Für viele Experten war die Frage, wie Unternehmen künftig bewertet werden, das eigentliche Problem der Reform. Denn daran bemisst sich die Höhe der Steuerzahlung. Vor allem kleinere Unternehmen nutzen zur Wertermittlung das vereinfachte Ertragswertverfahren. Es hat den Nachteil, dass es rechnerisch vom derzeit extrem niedrigen Zinssatz abhängt, was aktuell zu sehr hohen Bewertungen führt. Des-halb wird die Berechnungsgrundlage angepasst.
Ergebnisse des Vermittlungsausschusses
Nach eigenen Angaben hat der Vermittlungsausschuss folgenden Kompromissvorschlag beschlossen: Die Vermittler einigten sich bei den bis zuletzt strittigen Kriterien zur Unternehmensbewertung, insbesondere zum Kapitalisierungsfaktor von 13,75 für das vereinfachte Ertragswertverfahren, zum Vorwegabschlag bei Familienunternehmen, zur Optionsverschonung für Verwaltungsvermögen sowie zu den Voraussetzungen für eine Steuerstundung.
Außerdem schlägt der Vermittlungsausschuss Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung vor. So soll es keine Wiedereinführung der sogenannten Cash-Gesellschaften geben; Freizeit- und Luxusgegenstände wie Oldtimer, Yachten, Kunstwerke sollen grundsätzlich nicht begünstigt werden. Die Empfehlung enthält zudem weitere technische und klarstellende Änderungen an dem ursprünglichen Bundestagsbeschluss, so bei den AltersvorsorgeDeckungsmitteln und Ausnahmen für vermietete oder verpachtete Grundstücke z. B. von Brauereien.
Fazit
Äußerst unbefriedigend ist, dass es der Gesetzgeber in rund 18 Monaten nicht geschafft hatte, die Erbschaftsteuerreform zu verabschieden. Eine vollständige Blamage konnte durch den Vermittlungsausschuss verhindert werden.
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