Arbeitsrecht: Kündigung wegen Kirchenaustritt
Aus Enttäuschung über die zahlreichen sexuellen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen trat ein Sonderpädagoge aus der Kirche aus und wurde von der Caritas gekündigt, da ein schwerer Loyalitätsverstoß vorläge.
Gegen die Kündigung hat sich der Arbeitnehmer gewandt und Kündigungsschutzklage erhoben. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.04.2013, 2 AZR 579/12, über diese Klage entschieden.
Sachverhalt Der 1952 geborene Arbeitnehmer war seit 1992 bei der Caritas als Sozialpädagoge beschäftigt. Die beim Caritas angestellten Pädagogen und Sozialpädagogen sind ausnahmslos Mitglieder der christlichen Kirchen. Der Arbeitnehmer gehörte der katholischen Kirche an. Seit September 2008 arbeitete der Arbeitnehmer in einem sozialen Zentrum, das Projekt der Erziehungshilfe war, in dem Kinder von der ersten Grundschulklasse bis zum zwölften Lebensjahr nachmittags betreut wurden. Die Kinder kamen aus sozial benachteiligten Verhältnissen und haben Schwierigkeiten mit der Sozialisation. Ihre Religionszugehörigkeit war ohne Bedeutung.
Das Angebot des Zentrums umfasste Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Einzelförderung und soziale Schülergruppenarbeit, die sich am individuellen Bedarf der Kinder orientierte. Auch Freizeitangebote wurden wahrgenommen. Die Kinder sollten schulisch und in ihrem sozialen Verhalten gefördert werden. Außerdem sollten ihre sprachliche und motorische Entwicklung unterstützt sowie Kreativität und Fantasie ausgebildet werden. Das soziale Zentrum wies – abgesehen vom Zeichen der Caritas – keine religiösen Symbole auf. Den Kindern wurden keine religiösen Inhalte vermittelt. Der Arbeitnehmer arbeitete mit den Kindern, stand im Kontakt mit den Eltern, kooperierte mit den Schulen und führte mit dem Jugendamt Hilfeplangespräche durch.
Schließlich trat der Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche aus. Er informierte hierüber ein Vorstandsmitglied des Trägers und nannte als Beweggründe für den Kirchenaustritt die Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die Piusbruderschaft und die Karfreitagsliturgie, die in einer antijudäischen Tradition der Kirche stünden. Die Caritas kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. In der Urteilsbegründung führt das Gericht aus, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst ordnet und verwaltet. Dieses Recht käme neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen zu. Es ermöglicht ihnen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst auch im Rahmen privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln. Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse sei der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zulassen würde.
Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer – etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit – und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Aufgrund dessen sei es der Caritas nicht zumutbar gewesen, ihn als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen.
Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistete der Arbeitnehmer unmittelbar „Dienst am Menschen“ und nahm damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Ihm fehle infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubensverständnis der Caritas die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar habe auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Arbeitnehmers ein hohes Gewicht. Sie musste aber hier hinter das Selbstbestimmungsrecht der Caritas zurücktreten. Dieser könne im vorliegenden Fall von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden sei, sondern sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Arbeitnehmers fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht. Für Sozialpädagogen gäbe es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.
Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass für das Bundesarbeitsgericht entscheidend war, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit unmittelbar als „Dienst am Menschen“ erbracht hat. Das kirchliche Arbeitsrecht ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten, wurde jedoch zuletzt weiter gestärkt. Dies gilt auch unabhängig von einer weiteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass Streiks in kirchlichen Betrieben unter stark eingeschränkten Bedingungen erlaubt sein können.