9. Juni 2022

„Der Mensch ist doch nicht so schlecht, wie wir das oft denken“

Der Krieg in der Ukraine hat eine große Welle der Hilfs­be­reit­schaft und Soli­da­rität ausge­löst. Auch aus der HSP GRUPPE wurden viele Akti­vi­täten unter­stützt und beson­ders in der Zeit direkt nach Kriegs­be­ginn wurde schnelle Hilfe geleistet.

Carsten Schulz, Chef­re­dak­teur von DAS QUARTAL und Mitgründer der HSP GRUPPE, spricht mit den Steu­er­be­ra­tern Marco Sell und Marco Wind­horst, die mit hohem persön­li­chen Einsatz beson­dere Initia­tive gezeigt haben, über Hilfs­be­reit­schaft und Werte­ori­en­tie­rung.

Das Gespräch wurde am 3. Mai 2022 geführt.

Carsten Schulz: Schon seit vielen Jahren werden viele Wohl­tä­tig­keits­ak­ti­vi­täten der HSP GRUPPE über den Verein HSP CHARITY koor­di­niert. Als Haupt­zweck unter­stützt der Verein Projekte in der Kinder- und Jugend­hilfe, springt aber auch bei beson­deren Notlagen und anderen Hilfs­be­darfen ein. Im Zuge des Ukraine-Krieges hat HSP CHARITY Stand heute etwas über 200.000 Euro an Spenden zur Ukraine-Hilfe aus dem Umfeld der HSP GRUPPE einge­sam­melt. Liebe Marcos, dies hat sehr viel mit euch beiden zu tun. Mögt ihr euch einmal kurz vorstellen?

Marco Sell: Gerne. Ich bin Marco Sell, Steuer­berater und Inhaber mehrerer Steuer­kanzleien in Nord­ost­hessen mit Stand­orten in Bad Hers­feld, Hohen­roda, Kassel, Fulda und Frie­de­wald.

Marco Wind­horst: Und ich bin Marco Wind­horst, eben­falls Steuer­berater und Mitin­haber der Kanzlei HSP STEUER Bremen.

Carsten Schulz: Marco Wind­horst, du hast bei HSP im Grunde den Stein ins Rollen gebracht. Ich erin­nere mich an deinen Aufruf vom 25. Februar in HSP.ONE, der Kommu­ni­ka­ti­ons­platt­form der HSP GRUPPE, wo du um Geld gefragt hast, um Hilfs­güter für die Ukraine zu besorgen. Das war einen Tag nach Kriegs­be­ginn und du hattest schon einen Plan. Wie bist du dazu gekommen?

Marco Wind­horst: Der Kriegs­be­ginn war ein Schock für mich. Ich bin ja allge­mein hin nicht zart besaitet, aber ich saß am Rechner und schaute die Nach­richten und habe geheult wie ein kleines Kind. Einer­seits wegen des akuten Leids und weil ich mir vorstellte, was da noch kommen mag. Da ich mir aber nicht darin gefalle, rumzu­heulen, sondern lieber handele, habe ich den Plan gefasst, das zu tun, was in meiner Macht steht, um zu helfen. Das war ganz naiv: Sachen kaufen, auf einen Lkw laden und in die Ukraine bringen. Wie das gehen soll, wusste ich noch nicht. Die erste Idee war: Ich bin Mitglied in einem Verbund von mehr als 1.000 Menschen, da kann man mal nach­fragen und um Geld bitten.

Carsten Schulz: Du hast ja nicht nur um Geld gebeten, du hast auch gesagt, dass du jeden Euro, der gespendet wird, noch mal aus deinem Vermögen drauf­legst.

Marco Wind­horst: Ja (lacht), ich weiß nicht, ob ich das gesagt hätte, wenn ich geahnt hätte, wie groß die Spen­den­be­reit­schaft ist … In wenigen Stunden waren über 35.000 Euro zusammen und von mir dann noch mal privat 35.000 Euro dazu.

Carsten Schulz: Also schon mal ca. 70.000 Euro in der Scha­tulle. Damit kann man was anfangen, aber wie und was tut man dann?

Marco Wind­horst: Das habe ich mich auch gefragt … Im Mandan­ten­kreis haben wir einen Spedi­teur, die Firma CML Logistik aus Stuhr. Da habe ich Alex­ander Heine ange­hauen – ein toller Typ – und gefragt, ob er einen Lkw entbehren kann. Der hat sofort zuge­sagt und auch noch einen Fahrer spen­diert. Dann bin ich bei Google auf den Pastor Andreas Hamburg von der evan­ge­li­schen St.-Markus-Gemeinde in Bremen gestoßen. Der stammt ursprüng­lich aus der Ukraine und hatte selbst Hilfs­pro­jekte ange­stoßen und mit ihm hatte ich abge­stimmt, wo man die Ware hinbringen soll. Und dann bin ich mit dem Geld einfach zur Metro gefahren und habe den Lkw voll­ge­macht.

Carsten Schulz: Das klingt jetzt erst mal einfach, aber was hat die Metro gesagt, als da plötz­lich so ein Groß­ein­käufer stand?

Marco Wind­horst: Die hatten erst mal Sorge, dass sie keine Ware mehr für andere Kunden haben. Wir haben dann aber abge­macht, dass wir keine Regale komplett leer kaufen, sondern von allem noch was stehen lassen. Da haben sie uns dann auch mehrere Mitar­bei­tende zur Seite gestellt, die uns geholfen haben.

Carsten Schulz: Was habt ihr alles gekauft?

Marco Wind­horst: Im Wesent­li­chen Lebens­mittel und Hygie­ne­ar­tikel. Da tauchte aber ein kleines Problem auf – der geplante Fahrer fiel aus.

Carsten Schulz: Hier beginnt eigent­lich die Geschichte von Marco Sell …

Marco Sell: Richtig. Es kam von Marco nämlich noch ein weiterer Hilferuf über HSP.ONE: Er fragte, ob jemand jemanden kennt, der einen Lkw an die ukrai­ni­sche Grenze fahren kann. Da dachte ich: Klar, ich habe den passenden Führer­schein und kann das. Also habe ich mich kurzer­hand ange­boten. Dazu kam es dann aber in der Form nicht, weil Marco dann doch vor Ort noch Ersatz gefunden hatte.

Marco Wind­horst: Genau. Eigent­lich wollte ich mitfahren, wurde dann aber von Corona erwischt. Der erste Lkw wurde dann an die Grenze zu Ungarn gefahren, wo die Ware auf Klein­trans­porter umge­laden und in die Ukraine gefahren wurde.

Carsten Schulz: Damit war die Sache aber für dich noch nicht erle­digt.

Marco Sell: Nein, ganz und gar nicht. Ich hatte bis dahin den Kriegs­be­ginn eher durch einen Nebel wahr­ge­nommen. Natür­lich war ich entsetzt, aber auch so mit meinem Tages­ge­schäft beschäf­tigt, dass ich das getan habe, was die meisten Menschen getan haben. Schnell Geld gespendet und dann versucht, die nega­tiven Gedanken zu verdrängen. Als Marco sagte, er bräuchte doch keinen Fahrer, wollte ich eigent­lich wieder zum Tages­ge­schäft über­gehen. Zum Glück hat das aber mein Sohn Lucian nicht zuge­lassen. Lucian hat mich als junger Fami­li­en­vater vor zwei Jahren zum Opa gemacht. Er litt unter dem Kriegs­be­ginn sehr, insbe­son­dere durch das zu erken­nende Leid der Kinder in der Ukraine. Er sendete mir am Abend des 26. Februar folgende Nach­richt, Moment ich lese sie im Original vor (holt Handy aus der Tasche und liest vor): „Papa, du weißt, ich bitte dich nicht oft um etwas … aber bei den ganzen Bildern der leidenden Menschen, insbe­son­dere der Kinder, blutet einem das Herz! Lass uns doch wie Marco in Bremen einen Trans­port orga­ni­sieren und mitfahren.“ Das habe ich ihm natür­lich sofort zuge­sagt.

Carsten Schulz: Und dann habt ihr ganz schön was losge­treten!

Marco Sell: Ja, wir haben sofort begonnen, in unseren Netz­werken herum­zu­fragen. Im Grunde nach jegli­cher Form von Unter­stüt­zung, also Geld, Autos, Sach­spenden etc. Ich hatte mich ange­boten, die Spenden bei mir Zu Hause anzu­nehmen und hatte in kürzester Zeit das Wohn­zimmer rappel­voll. Ich musste dann ein Riesen­zelt im Garten aufbauen, um das alles noch hand­haben zu können. Die Hilfs­be­reit­schaft war irre. Nach­barn, Freunde, Mandanten standen sofort bereit, halfen beim Orga­ni­sieren, Sortieren, gaben Geld und die Initia­tive wuchs minüt­lich.

Carsten Schulz: Und zwar zu einem Riesen­ding.

Marco Sell: Ja! Am 3. April ging die erste Fahrt los, und zwar mit 12 Fahr­zeugen! Da war alles dabei, vom Lkw bis zum Bürgerbus. Da sind der Lucian und ich auch mitge­fahren und das war wirk­lich aben­teu­er­lich. Viele Dinge haben wir während der Fahrt geklärt, zum Beispiel die Koor­di­na­tion mit dem Roten Kreuz, wohin wir die Sachen über­haupt bringen sollen. Nachdem wir die Ware in Krakau abge­laden haben, sind wir dann dort noch mal durch die Geschäfte gefahren und haben neue Ware direkt vor Ort gekauft.

Ukraine-Hilfe

Carsten Schulz: Ihr habt aber noch eine andere Sache gemacht: Ihr habt auch auf dem Rückweg gleich Flücht­linge mitge­nommen.

Marco Sell: Richtig. Wir haben hier in der Nähe, in Sieg­winden, ein Gäste­haus, das vom Missi­ons­werk Brücke zur Heimat betrieben wird. Dort hatten sie in der Vergan­gen­heit bereits auch schon Waisen­kinder aus der Ukraine unter­ge­bracht. Die Idee war, dort Unter­kunft für Groß­fa­mi­lien oder Problem­fälle zu bieten.

Marco Wind­horst: Sehr gut. Die haben es schwer. Eine Mutter mit zwei Kindern unter­zu­bringen, ist recht einfach, bei einer zehn­köp­figen Familie sieht es schon anders aus.

Marco Sell: Genau das war auch unsere Idee. Und deshalb haben wir gesagt, dass wir nicht mit leeren Autos zurück­kommen. Auf dem Rückweg hatten wir ca. 40 Plätze mit Flücht­lingen belegt. Und das war auch eine sehr herz­zer­rei­ßende Erfah­rung, wenn man ein begrenztes Kontin­gent hat und viel mehr Menschen, die mitmöchten.

Carsten Schulz: Das kann ich mir vorstellen, in der Haut möchte ich nicht stecken. Wie habt ihr dann die Auswahl getroffen?

Marco Sell: Wir haben uns da vom Roten Kreuz helfen lassen.

Ukraine-Hilfe

Carsten Schulz: Wir könnten vermut­lich noch stun­den­lang reden, bislang haben wir ja gerade die ersten Tage hinter uns. Ich möchte anmerken, dass ich richtig stolz bin. Wir haben ja in der HSP GRUPPE den Slogan „Herz. Stärke. Part­ner­schaft.“ und eine werte­ori­en­tierte Unter­nehmens­führung gegen­über Mitar­bei­tenden, Mandanten und Geschäfts­part­nern gehört zu unserem ideellen Kern. Das dies nicht nur hohles Werbe­ge­rede ist, sondern auch ganz real gelebt wird, wird in solchen Zusam­men­hängen noch mal sehr deut­lich. Wie haben sich eure Initia­tiven weiter­ent­wi­ckelt?

Marco Wind­horst: Ja, da könnten wir noch bis morgen früh drüber reden. Wir hatten hier noch einen weiteren Trans­port orga­ni­siert, der dann über die rumä­ni­sche Grenze in die Ukraine verteilt wurde. Mitt­ler­weile konzen­trieren wir uns aber auf die Arbeit mit den Geflüch­teten hier vor Ort. An der Grenze sind mitt­ler­weile die großen Schiffe in Stel­lung und haben ihre Systeme hoch­ge­fahren, also das Rote Kreuz und andere profes­sio­nelle Orga­ni­sa­tionen. Initia­tiven wie unsere waren am Anfang wichtig, um schnell und unbü­ro­kra­tisch erste Hilfe zu leisten. Auf Dauer ist das aber sicher bei den Profis besser aufge­hoben.

Marco Sell: Ich glaube auch, dass wir mitt­ler­weile hier vor Ort mehr bewegen können. Und da gibt es auch viel zu tun. Wir hatten auch noch mehrere Trans­porte orga­ni­siert und einer steht noch bevor, aber auch bei uns wendet sich der Fokus jetzt auf die Arbeit hier. Und langsam müssen wir uns auch wieder um unsere Arbeit kümmern …

Carsten Schulz: Ihr seid ja Steuer­berater und Unter­nehmer und habt sicher nicht unter zu viel Frei­zeit gelitten. Wie ist das alles in der Mandant­schaft und bei den Mitar­bei­tenden ange­kommen?

Marco Wind­horst: Solche Fragen hat keiner gestellt. Im Gegen­teil, ich habe auf jeden Fall sehr viel Zuspruch erfahren. Sowohl die Mitar­bei­tenden als auch die Mandanten hatten sehr viel Verständnis dafür, dass man für eine Zeit mit anderen Dingen beschäf­tigt war. Wobei die Mandanten das nicht gemerkt haben, weil unser Team das alles sehr gut aufge­fangen hat. Dafür übri­gens auch noch einen herz­li­chen Dank.

Marco Sell: Unbe­dingt. Da möchte ich mich auch sehr herz­lich bedanken. Auch bei uns haben die Mitar­bei­tenden dem Lucian und mir den Rücken vorbild­lich frei­ge­halten und einen reibungs­losen Kanz­lei­ablauf gewähr­leistet. Das sind die Momente, wo man noch mal merkt, wie tolle Kolle­ginnen und Kollegen wir haben. Und auch vielen Dank an alle aus der HSP GRUPPE, die mit ihrer Spen­den­be­reit­schaft den Marco und mich fast arm gemacht haben (lacht). Ich hatte in meinem Heiß­sporn die Spenden aus eigenem Vermögen auch verdop­pelt.

Carsten Schulz: Was nehmt ihr aus diesen Aktionen mit?

Marco Wind­horst:

Dass der Mensch doch nicht so schlecht ist, wie wir das oft denken. Von der Hilfs­be­reit­schaft bin ich immer noch faszi­niert. Weil sie so spontan und unge­trübt war. Nicht nur die allge­meine Spen­den­be­reit­schaft, egal ob nun mit Geld oder Sach­spenden. Wir haben für jede Heraus­for­de­rung nach einer kurzen Rund­mail immer jemanden gefunden, der eine Lösung hatte. Wenn es drauf ankommt, stehen die Menschen dann doch zusammen und haben einen Reflex zu helfen. Das stimmt mich zuver­sicht­lich.

Marco Sell: Das sehe ich genauso. Und für mich hat sich einiges geän­dert. Bislang war ich aktiv nicht wirk­lich enga­giert in Hilfs­pro­jekten. Ich habe zwar immer Geld gegeben, aber eigenes, konkretes Tun war nicht sehr ausge­prägt. Die persön­li­chen Erfah­rungen aus unserer Initia­tive haben mich sehr berei­chert, auch wenn es komisch ist das zu sagen und man diese Erfah­rung in so einem schreck­li­chen Zusam­men­hang macht. Aber die Dank­bar­keit, die einem aus den Augen der Menschen entge­gen­schlägt, empfinde ich als ein beson­deres Geschenk. Das bewegt mich sehr und rührt mich regel­mäßig zu Tränen.

Carsten Schulz: Ihr Lieben, ich danke euch herz­lich für das Gespräch und insbe­son­dere für euren Einsatz.

HSP CHARITY e. V.

Unter­nehmen der HSP GRUPPE bündeln ihr soziales und gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment im gemein­nüt­zigen Verein HSP CHARITY e. V., der auch offen für externe Spenden von Mandanten, Geschäfts­part­nern und Privat­per­sonen ist. Erfahren Sie mehr über HSP CHARITY und die unter­stützten Hilfs­pro­jekte.


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